Rezension

"Glaube ohne Liebe ist nichts wert." (Martin Luther)

Auf den zerbrochenen Flügeln der Freiheit - Rebecca Michéle

Auf den zerbrochenen Flügeln der Freiheit
von Rebecca Michéle

Bewertet mit 5 Sternen

1912 Irland. Die junge Nonne Rose wird in ein Dubliner Magdalenen-Kloster mit angeschlossener Wäscherei strafversetzt, denn sie hat ihren eigenen Kopf und kann sich den vorgeschriebenen Regeln nicht immer vorbehaltlos beugen. Als sie ihre neue Wirkungsstätte genauer in Augenschein nimmt, stößt sie auf unglaubliche Zustände, die ihr regelrecht zuwider sind. Die Frauen, die in den Wäschereien unter schlimmsten Bedingungen arbeiten, sind junge ledige Mütter, verstoßene Töchter und Ehefrauen sowie gefallene Mädchen, die man von der Straße direkt dorthin verfrachtet hat und die hinter den Klostermauern ihr Dasein wie in einem Gefängnis fristen, wobei ihr Körper und ihr Geist durch Misshandlungen, Schläge und Vergewaltigungen gebrochen ständig aufs Neue gebrochen wird. Als Rose feststellen muss, dass auch Priester sich an den Frauen vergehen, begeht sie den Fehler, ihre Beobachtungen der Oberin mitzuteilen, die daraufhin Roses Bewegungsradius extrem einschränkt und unter Strafe stellt. Rose freundet sich mit den beiden Arbeiterinnen Cindy und Fiona an, mit denen sie dann aus dem Kloster flieht. Doch auch das Leben außerhalb der Klostermauern ist kein Zuckerschlecken, denn sie geraten mitten hinein in den irischen Freiheitskampf…

Rebecca Michéle hat mit „Auf den zerbrochenen Flügeln der Freiheit“ einen sehr berührenden und schonungslosen Roman mit historischem Hintergrund vorgelegt, der den Leser ins Herz und in der Seele trifft und noch lange nach der Lektüre im Gedächtnis bleiben wird. Der Schreibstil ist flüssig und bildhaft, der Leser taucht schnell ein in die vergangene Zeit, um nicht nur Rose bei ihrem Weg zu begleiten, sondern auch Cindy, Fiona und die anderen leidgeprüften Frauen kennenzulernen, deren Geschichte hier von der Autorin unverblümt offen gelegt wird. Auch wenn die Personen fiktiv sind, sind die Zustände in den Magdalenen-Wäschereien historisch belegt und treiben dem Leser während der Lektüre Gänsehaut über dem Rücken ob der Misshandlung und vor allem auch Missachtung der dort hart arbeitenden Frauen. Die Autorin wagt sich mit ihrer Geschichte an ein heißes Eisen, denn man mag kaum glauben, dass all diese Grausamkeiten unter dem Deckmantel der Kirche und im Namen des Glaubens stattgefunden haben, deshalb verwundert es auch nicht, dass die Kirche sich bis heute nicht für ihre Taten entschuldigt hat, sondern vielmehr diese unter den Tisch kehren möchte und hierfür ihre Macht zusätzlich missbraucht. Umso mehr muss man den Frauen Respekt zollen, die dieses Märtyrium ertragen und sich sogar auf die eine oder andere Art davon befreien konnten.

Die Charaktere sind sehr lebensecht skizziert, sie wirken authentisch und glaubwürdig, so dass der Leser sich ihnen schnell nah fühlt, ihren Leidensweg mitträgt und ein ums andere Mal den Tränen nahe fühlt über die Unbarmherzigkeit und die Menschenverachtung, deren sie ausgesetzt sind. Rose ist eine Frau, deren Leben unerschütterlich mit ihrem Glauben verbunden ist. Sie ist warmherzig, besitzt einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn und zweifelt ob der ihr gebotenen Zustände an dem Wirken ihrer Glaubensschwestern und –brüder. Cindy ist starke Frau, die man nur bewundern kann, denn sie kämpft sich durch Schläge und Misshandlungen durch, ohne ihre Hoffnung zu verlieren. Fiona muss ebenfalls einiges einstecken und oftmals denkt man, dass sie daran zerbricht. Doch sie klammert sich an das Leben und hofft darauf, den furchtbaren Klostermauern irgendwie zu entkommen. Die Freundschaft mit Cindy gibt ihr den nötigen Halt, die Zähne zusammenzubeißen.

„Auf den zerbrochenen Flügeln der Freiheit“ ist ein hervorragend recherchiertes düsteres Zeitzeugnis irischer Geschichte mit fiktiven Elementen, das viele lieber verborgen gesehen hätten, doch durch den Mut der Autorin endlich das Licht erblickt hat. Ein historischer Roman der Extraklasse, der zum Nachdenken anregt und gleichzeitig mahnt, dass solche Dinge niemals wieder passieren dürfen. Absolute Leseempfehlung! Chapeau!