Rezension

Goethe lässt grüßen.

Doktor Faustus -

Doktor Faustus
von Thomas Mann

Bewertet mit 4.5 Sternen

Es ist nicht meine Welt, weder musikalisch noch bildungstechnisch, es ist nicht mein Autor, hat er mich mit dem Tod in Venedig leidlich verschreckt und es bedient keines meiner bevorzugten Genres. Also, raus aus der Komfortzone und rein in die Gesellschaft von Doktor Faustus.

Mann schrieb diesen Roman im Exil in den USA in den letzten Jahren des Zweiten Weltkrieges. Er lässt den 60jährigen Serenus Zeitblom 1943 die Lebensgeschichte des Komponisten Adrian Leverkühn und dessen Pakt mit dem Teufel erzählen.

Zeitblom blickt dabei zurück in die Anfänge des 20. Jahrhunderts und die gemeinsame Schulzeit mit dem Freunde Adrian, seine Beobachtungen aus der Studienzeit und die anschließende Karriere des gefeierten, aber auch umstrittenen Tonsetzers. Zeitblom wendet sich dabei immer wieder direkt an den Leser, entschuldigt sich für seine ausschweifenden Nebenschauplätze der Handlung und weiß auch vom aktuellen Kriegsgeschehen zu berichten.

Die musiktheoretischen Abschnitte verlangten meine Geduld, die Wortwahl und das Frauenbild meine Nachsicht und die besagten Abschweifungen meine volle Konzentration, doch ich wurde reichlich belohnt. Nicht nur der Einblick in die Welt der Künstler und ihren Protegés, auch die in den 20er und 30er Jahre geführten politisch-ideologisch geführten Diskussionen, die "Laster" der bessergestellten Gesellschaft und ihr Niedergang, befriedigten nicht nur meine Neugier, sondern auch der mit Spannung erwartete Pakt mit dem Höllenfürsten, war ein Erlebnis der ganz besonderen Art. Die Wortkunst Manns gab diesen Augenblicken einen ganz besonderen Flair, den ich, so gruselig und erschütternd, diesem Stoff niemals zugetraut hätte.

Ich bin mir sicher, dass ich diesen Romanstoff nicht annähernd vollumfänglich intellektuell erfasst habe, aber es waren schon spannende und erhellende Momente dabei, die mir die Mühe des Lesens entlohnt haben.

Kommentare

wandagreen kommentierte am 27. Januar 2022 um 22:38

Was für eine hübsche Rezension, die ich vollumfänglich nachvollziehen kann, besonders wenn du deine Schwierigkeiten mit Th. Mann schilderst. Ich mochte seine Werke (also ihn) lieber, bevor wir das Buch von Colm Toibin  über ihn gelesen haben. Das hat mir ein bisschen die Augen geöffnet und meine Wertschätzung vermindert. Was nichts mit seinem Charakter oder seinem Leben zu tun hat, doch ich wusste vorher nicht, wie sehr er entlang seines eigenen Lebens seine Werke schrieb. Da ist mir dann doch zu viel Thomas drin, zu viel Selbstbeweihräucherung.

Emswashed kommentierte am 28. Januar 2022 um 08:59

Danke, meine Liebe. Meine Meinung bei WR muss aber präziser werden, sonst werde ich nie wieder "tindern" können, haha! ;-))