Rezension

grandios fluffig

Blaue Nacht - Simone Buchholz

Blaue Nacht
von Simone Buchholz

Bewertet mit 5 Sternen

Dieser Roman schafft es, Hamburg mehr Hamburg werden zu lassen denn je, die Menschen menschlicher und die Witze witziger.

In Hamburg wird ein Mann zusammengeschlagen. Staatsanwältin Chastity Riley, die seit einer beruflichen Fehlaktion Opferschutzbeauftragte  ist, versucht mit großer Hartnäckigkeit, einen brauchbaren Hinweis von ihm zu erhalten. Als sie schließlich mit seiner Hilfe eine Spur aufnimmt, führt diese zu einer internationalen Organisation, deren skrupelloser Boss bisher unbehelligt seinen Geschäften nachgeht.

Simone Buchholz Schreibstil ist grandios fluffig, gespickt mit kreativen Metaphern und erfrischend klischeefreien Gags. Eingebettet in eine äußerst schnoddrige Sprache verblüffen immer wieder poetische Wendungen und philosophische Gedanken.  
Die Personen sind allesamt ungewöhnlich. Ich-Erzählerin Chastity Riley entspricht keineswegs dem klassischen Bild der Staatsanwältin, und ihre Freunde sind ein gut gemischter Trupp von Hamburgern unterschiedlicher Herkunft mit ausgeprägten Charakterzügen und in teilweise sehr speziellen Lebenssituationen befindlich. Ab und zu geben die wichtigsten Protagonisten in Rückblenden, die sehr weit in der Vergangenheit beginnen und dann größtenteils chronologisch bis in die Gegenwart führen, Statements ab, so dass man im Zeitraffer in ihre Entwicklung hineinwachsen kann. Damit kann der Wissensvorsprung derjenigen, die diese Reihe schon von Anfang an begleiten, ganz ohne langwierige Erklärungen weitgehend aufgefangen werden.
Der Kriminalfall an sich ist nicht das, was dieses Buch so absolut lesenswert macht. Vielmehr erwächst das Lesevergnügen daraus, dass es der Autorin gelingt, ihn in einem Hamburg anzusiedeln, das mehr Hamburg nicht sein kann, und Personen ins Leben zu rufen, mit denen man allesamt befreundet sein möchte.
Zu dem durch und durch unkonventionellen Gesamteindruck passt es auch, ein Ambiente zu schaffen, in dem Zigaretten und Alkohol ihren festen Platz haben, und einen Umgang mit ethischen Fragen, die ganz sicher keinen Preis für Political Correctness gewinnen würden. Doch ehe man sich die Frage stellen kann, ob das Buch überhaupt gefallen darf, ist man ihm schon verfallen.
Definitiv ist dieses Buch absolut ungeeignet für alle, die gerade dabei sind, sich das Rauchen abzugewöhnen, ebenso für diejenigen, die Krimis ausgeklügelt und humorlos mögen. Ein Muss hingegen ist es für Hamburgfreunde, für Chastity-Riley-Fans und für alle, die sich ein völlig anderes, witziges und überraschendes Leseerlebnis gönnen möchten.