Rezension

Heimkehr nach Hamburg. Wieder auf'm Kiez.

Blaue Nacht - Simone Buchholz

Blaue Nacht
von Simone Buchholz

Hurra, wieder ein Chas-Riley-Buch. Schon nach den ersten Sätzen umgibt mich ein Gefühl von nach Hause kommen zu liebgewordenen Freunden.

Chas Riley hatte zuletzt einen ihrer Vorgesetzten der Korruption überführt und das ist ihr zumindest beruflich gar nicht gut bekommen. Sie hat als Opferschutzbeauftrage innerhalb der Staatsanwaltschaft eine neue Aufgabe bekommen, was in der Praxis soviel bedeutet wie kaltgestellt zu sein.
Ihr „Opfer“ in diesem Roman ist Joe, der krankenhausreif geschlagen wurde und um nichts in der Welt mit Chas reden will. Trotzdem wird ihr schon bald klar, dass es hier um ein ganz großes Ding geht. Als es ihr mit ihrer Beharrlichkeit gelingt, Joe wenigsten drei Namen und den Hinweis auf einen Beamten der Leipziger Drogenfahnder zu entlocken, kommt die Geschichte in Gang. Auch ihr früherer Chef, der Faller, ist wieder mit von der Partie. Chas hat ihn ins Krankenhaus mitgeschleppt und nun scheint sich zwischen Joe und dem Faller eine Verbindung zu entwickeln, die ihr nur bedingt recht ist. Ausserdem sieht sie ihren väterlichen Freund auch in erheblicher Gefahr, denn der hat immer noch eine Rechnung mit jemandem offen, der überall auf dem Kiez nur der Albaner genannt wird. Dass dieser dem Drogengeschäft und anderen krummen Dingern wirklich abgeschworen hat, mag so recht niemand glauben, auch wenn er seit Jahren nicht mehr in Erscheinung getreten ist.
Der Roman mag Lesern, die sich im Drogenmilieu nicht explizit auskennen, durchaus noch einige Neuigkeiten bieten und auch sonst ist der Fall spannend und rasant erzählt.
Aber wie auch bei früheren Romanen der Autorin liegt die Qualität des Romans auch hier wieder jenseits des eigentlichen Kriminalfalls. Da ist zum einen die „Großfamilie“ der Chas Riley zu nennen, zu der neben dem Faller ihre Freunde Rocco und Carla gehören, auch der Calabretta und natürlich der Klatsche, ihr mal mehr, mal weniger Freund, mit dem sie in diesem Buch gerade mal wieder etwas enger liiert ist. Rocco und Carla betreiben ein Cafe auf dem Kiez und dieses ist gleichzeitig auch fast täglicher Rückzugs- und Anlaufpunkt für Chas darstellt. Der Calabretta ist Polizist, hat italienische Wurzeln und in diesem Roman heftigen Trennungsschmerz.
Die Schilderung dieser Personen und ihrer persönlichen Umstände gelingt Simone Buchholz mit Bravour. Sie schafft ein Kiezfeeling, in das sich der Leser unmittelbar eingebunden fühlt. Man glaubt sich oft genug neben ihr an den verschiedenen Theken, vor sich einen Kaffee oder ein Bier oder manchmal auch noch stärke Sachen, je nach Tages- oder Nachtzeit. Ja, es wird viel geraucht und getrunken in diesem Buch, aber diese Szenen wirken alle so echt, dass man mittendrin zu sein meint.

Und man würde etwas Wesentliches unterschlagen, würde man nicht auch die erzählerische Qualität dieser Autorin deutlich hervorheben. Als Beispiel dafür mag nur einer der vielen zitierfähigen Sätze herhalten, die dieses Buch bevölkern: „Er hat die Gezeiten im Gang und die Große Freiheit im Gesicht.“
In diesem Sinne hat der Roman Blaue Nacht Hamburg im Gang und den Kiez im Gesicht. Ich bin einmal mehr von dieser Krimi-Reihe und seiner Autorin begeistert.