Rezension

Grandiose Handlung mit Mängeln in Ausdruck und Grammatik

Westside Blvd. - Entführung in L.A. - Torsten Hoppe

Westside Blvd. - Entführung in L.A.
von Torsten Hoppe

Klappentext:
Die junge Schauspielerin Heather Simms wird in L.A. auf dem Weg nach Hause entführt. Während die Polizei verzweifelt versucht, Hinweise oder Spuren zu finden, verfolgt der Entführer seine ganz eigenen, ungewöhnlichen Pläne. Unter dem Deckmantel der Gerechtigkeit stellt er Forderungen, doch Lieutenant Steve Delaney vom LAPD muss schnell feststellen, dass dieser Fall nach keinem gängigen Schema abläuft.
Während die Polizei im Zuge der Ermittlungen zu unkonventionellen Mitteln greifen muss, spürt auch Heather bereits sehr bald, dass sie in den Händen eines unberechenbaren Psychopathen gelandet ist. Sie sieht sich gezwungen, einen gefährlichen Kampf um ihr Leben zu führen. Einen Kampf, für den ihr niemand ein fertig geschriebenes Drehbuch reichen kann und dessen Regeln sie erst erlernen muss... 

Einordnung:
Das Buch ist kein Teil einer Reihe.

Rezension:
In diesem Buch steckt eine wirklich gute Idee. Die beiden Protagonisten, die abwechselnd über die Geschehnisse berichten, sind das Opfer Heather Simms und Lieutenant Steve Delaney vom LAPD, dem der Fall zugeteilt wird. Der Klappentext verspricht nicht zu viel, wenn er behauptet, die Entführung würde nach keinem gängigen Schema ablaufen. Der Entführer stellt immer wieder Forderungen, auf die der Lieutenant eingehen muss, um Heathers Leben zu retten. Dabei braucht er tatkräftige Unterstützung der Schauspieler, die momentan mit Heather zusammenarbeiten. Doch jedes Mal, wenn es fast Grund zum Aufatmen gibt, werden die Forderungen des Entführers abstruser. Immer mehr muss die Polizei improvisieren und Heathers Schauspielkollegen sind nicht mehr die einzigen, die um Heathers Leben spielen müssen. Es ist jedoch ein unberechenbares Spiel, in dem es mehrfach überraschende Wendungen gibt. Der Autor hat es geschafft, mich mehr als einmal vollkommen aufs Glatteis zu führen.

Gefallen haben mir auch die ausgearbeiteten Charaktere. Besonders Lieutenant Steve Delaney hat es mir sehr angetan. Immer wieder wird die Handlung unterbrochen durch ausführliche Beschreibungen der Vergangenheit der Charaktere, sodass sie schnell an Tiefe gewinnen und Sympathien entstehen. Dazu trägt auch die Ausführung ihrer Gedanken bei.
Gleichzeitig sorgt das dafür, dass es immer wieder Szenen gibt, an denen der Leser durchatmen kann. Die spannungsgeladenen Szenen jagen sich deshalb nicht. Der Leser muss nicht durch das Buch hetzen, auch weil die Vorbereitungen auf den nächsten Anruf des Entführers oder die Erfüllung seiner Forderung immer dargestellt werden. Spätestens in der Mitte des Buches liegt dort aber auch eine Schwäche, da insbesondere die Ausführungen der zu Rate gezogenen Psychologin immer dieselben sind. Es hat mir gefallen, mehr über die einzelnen Charaktere zu erfahren und mich mehr in sie hinein versetzen zu können, doch unter anderem die Kapitel, in denen Heather erzählt, drehen sich immer mehr im Kreis. So hatte ich zwischen Seite 250 und 400 das Gefühl als würde die Geschichte gar nicht mehr enden wollen, weil sie sich unglaublich gezogen hat.

Auch sonst weist das Buch neben einer grandiosen Handlung einige Schwächen auf, vor allem im Ausdruck, aber auch in der Grammatik. Es beginnt mit den extrem vielen Metaphern und Vergleichen. Gerade am Anfang schildert kaum ein Satz einfach normal die Handlung. Alles wird blumig dargestellt, wie beispielweise: „Mein Körper zitterte so stark, dass ich in diesem Moment mit einem Cocktail-Shaker in der Hand unfreiwillig die herrlichsten Getränke hätte zaubern können.“
Diese etwas ungeschickte Ausdrucksweise findet sich auch an Stellen, bei denen der Autor im laufenden Text die Worte, die die Erzählerin in einem Hörbuch betonen oder lang ziehen würde, auch mit entsprechend vielen Vokalen schreibt. So ist ein Schauspieler beispielsweise „soooo gut“ und nach ihrer Entführung schreit Heather um „Hiiiiilfe“. Das setzt sich fort, als Heather ihren Schauspielkollegen als „total netten Typen“ beschreibt, schildert wie sie im Bett liegt und „heult“ und dass ihr Leben als Schauspielerin echt „cool“ ist.  Natürlich ist sie die Ich-Erzählerin, aber selbst, wenn die Erzählweise auf das Niveau eines siebzehnjährigen Mädchens angepasst sein soll, ist das extrem anstrengend zu lesen und die ungehobelte Ausdrucksweise stört den Lesefluss gerade zu Beginn extrem.

Im Gedächtnis geblieben ist mir außerdem die zahlreiche Verwendung von Semikolons, die irgendwie willkürlich über den Text verteilt zu sein scheinen. Manchmal trennt das Semikolon zwei Sätze voneinander, manchmal folgt es auf Auslassungspunkte (wahlweise drei oder vier) und manchmal ist es einfach da.
Hinzu kommt, dass der Autor das Wort „apathisch“ in falschem Sinnzusammenhang benutzt. Prinzipiell klingt dieser Einwand nach Erbsenzählerei, allerdings taucht dieser Fehler beinahe jedes Mal auf, wenn aus Heathers Perspektive berichtet wird. Apathie bedeutet Teilnahmslosigkeit und Unempfindlichkeit gegenüber äußeren Reizen. Der Autor benutzt es jedoch als Synonym für Schockstarre, sodass Heather gleichzeitig Todesangst hat und apathisch auf ihrem Bett sitzt. Das widerspricht sich aber und ist gleichzeitig nicht möglich, sodass ich mich ein ums andere Mal daran gestoßen habe.

Fazit:
Die Geschichte ist unglaublich spannend und gut konzipiert. Einblicke in das Leben der Protagonisten verleihen den Charakteren Tiefe und verschaffen Zeit zum Durchatmen, allerdings sorgen einige dieser Szenen auch dafür, dass sich die Geschichte irgendwann in die Länge zieht. Leider lässt die sprachliche Umsetzung einiges wünschen übrig, vor allem beim Ausdruck und beim Erzählstil, was nicht zuletzt bestimmt auch der Tatsache geschuldet ist, dass der Thriller per Self-Publishing erschienen ist. Daher kann ich „Westside Blvd.“ trotz grandioser Idee mit absolut passendem Abschluss nur drei Schreibfedern geben.