Rezension

Grimmsches Märchen in den Südstaaten der USA

Der Räuberbräutigam - Eudora Welty

Der Räuberbräutigam
von Eudora Welty

Die Liebesgeschichte zwischen dem blonden Räuberhauptmann Jamie Lockhart und der schönen Pflanzertochter Rosamond entwickelt sich in skurrilen Wendungen: Jamie raubt Rosamond die Kleidung und lässt sie nackt nach Hause gehen. Als er von ihrem Vater eingeladen wird, erkennen die beiden sich nicht: Nun ist Jamie herausgeputzt, während Rosamond schmutzig und abgerissen bedient. Der Vater bittet Jamie darum, seine Tochter zu rächen und den Räuber zu fangen; der Lohn soll die Hand seiner Tochter sein. Die aber folgt Jamie in den Wald und lebt dort mit ihm...

Viele Märchenmotive werden hier aufgenommen: Die böse Stiefmutter, die unersättlich immer noch mehr von ihrem Mann fordert; das sprechende Medaillon; das Leben eines Mädchens mit einer Männergruppe im einsamen Wald... Auch Motive der Weltliteratur lassen sich finden: So wendet sich Jamie von Rosamond ab, als diese (wie Psyche) die Identität ihres Mannes erkennen möchte. Beide halten sich gegenseitig für tot (wie Romeo und Julia). Der Leser kann literarische Bezüge suchen und voll Vergnügen an den unwahrscheinlichsten Stellen finden.

Wie passt das zusammen: Eudora Welty, die als eine der besten Schriftstellerinnen der Südstaaten von den USA gilt und den Pulitzer-Preis erhielt, und das Märchen "Der Räuberbräutigam" der Brüder Grimm? Welty versetzt das Märchen in die Landschaft der Südstaaten und in die Zeit, als noch Indianer in den Wälder lebten, rauhe Pioniere neue Gegenden erkundeten und der Pony-Express die Nachrichten brachte. Realistisches und Phantastisches mischt sich in buntem Reigen. Die skurrilen Wendungen bieten immer neue Überraschungen. Das Werk erschien 1942 und wurde 2015 für den deutschen Buchmarkt vom Klett-Cotta Verlag wieder aufgelegt. Es gilt als Vorläufer des Buches "Die Brautprinzessin". Nicht nur Bela B. (Die Ärzte) ist laut Cover begeistert von Inhalt wie Sprache - andere Leser dagegen werden von der Brutalität vieler Szenen abgeschreckt. Meine Meinung bewegt sich dazwischen: Märchen und auch ihre Adaptationen dürfen brutal sein, die Sprache ist ein Genuss, und so war das Buch für mich eine gute Unterhaltung, aber dann doch kein Werk, das bleibenden Eindruck hinterließ.