Rezension

Große Dramen im veregssenen Land

Ein Band aus Stahl - Simone Dorra, Ingrid Zellner

Ein Band aus Stahl
von Simone Dorra Ingrid Zellner

Bewertet mit 4 Sternen

Vikram Sandeep, Ex-Agent, und seine irisch-indische Frau Sameera, die ihrem Mann in das krisengeschüttelte Kaschmir gefolgt ist, bieten traumatisierten Kindern in ihrem Waisenhaus Dar-as-Salam (Haus des Friedens) ein Zuhause und neue Hoffnung. Mit Raja und Sita Sharma und ihrer Familie verbindet die Beiden - trotz der Entfernung - eine tiefe Freundschaft.
Als Vikram gemeinsam mit Nahija, einer Politikerin und guten Freundin, nach Delhi fliegt, um in einer geheimen Ermittlungskommission gegen den korrupten und sadistischen Polizeichef auszusagen, wird Sameera plötzlich verhaftet und Raja, der sie schützen will, verschwindet. Und so wird Vikram wieder tief in seine Vergangenheit und Begegnungen mit mächtigen Feinden hineingezogen....

Mit "Ein Band aus Stahl" legen die beiden Autorinnen Simone Dorra und Ingrid Zellner den inzwischen vierten Band ihrer auf sieben Bücher angelegten Kaschmir-Saga vor, einem großen Familien-Epos in einem fernen Land.
Ich muss zugeben, dass ich anfangs ein wenig Probleme hatte mit den sehr zahlreichen fremden Namen und den mir unbekannten Geschichten aus den vorhergehenden Bänden, in denen die Personen eingeführt wurden, doch das legte sich bald und ich konnte voll in die Geschichte eintauchen.

Das zwischen Indien, Pakistan und der Volksrepublik China im Himalaya liegende Kaschmir hat von alters her eine Brücken- und Knotenfunktion zwischen Vorder-, Zentral- und Südasien und war wichtiger Handelspunkt. Durch seine lange, wechselvolle Geschichte entstand ein Territorialkonflikt; der sich übrigens gerade in 2019 wieder zugespitzt hat und der Internationale Gerichtshof eingeschaltet wurde, so dass der Leser sich mit höchst aktuellen Ereignissen auf besondere Art auseinandersetzen kann. Dazu kommt ein machtpolitisches Ungleichgewicht zwischen den muslimischen, hinduistischen und buddhistischen Gebieten, was ebenfalls im Buch angesprochen wird.
Den Autorinnen gelingt es auf einfühlsame Weise, das bei uns fast vergessene Land und seinen furchtbaren Konflikt näherzubringen. Korruption, Willkür, Anschläge, Ausgangssperren, Abschaltung der Telefonnetze, marodierende Paramilitärs werden beschrieben, jedoch ist die Saga alles andere als eine zeitgeschichtliche Dokumentation oder ein Doku-Thriller. Doch als Leser lernt man eine ganze Menge und wird auch angeregt, weiter zu recherchieren.
Die perversen Machtspiele, die grausamen Folterungen werden keinesfalls genüßlich blutrünstig ausgebreitet und beschränken sich auf das Wesentliche; sind aber desto eindrucksvoller. Demgegenüber stehen die große Liebe der Hauptpersonen und die geschilderten Freundschaften, die Harmonie und das fast schon Heile-Welt-Familienleben, das einen starken Kontrast bildet und manchmal schon fast zur Kitschigkeit neigt, der man sich jedoch gerne hingibt in diesem geschundenen Tal.

Simone Dorra und Ingrid Zellner schreiben in einem locker leichten Stil, der flüssig zu lesen ist, und die beiden Autorinnen ergänzen sich auf wunderbare Art und Weise. Die Handlung ist fesselnd und bereitet Lesevergnügen.

Die verschiedenen Charaktere werden lebendig und authentisch beschrieben und ihre Wünsche und Sehnsüchte sowie Ängste und Zweifel sind gut nachvollziehbar.

Das Personenverzeichnis und das Glossar am Ende des Buches runden das Ganze ab und bieten eine hilfreiche Ergänzung.

Ich konnte mich voll und ganz auf die Geschichte der Protagonisten, die in einem "Band aus Stahl" miteinander verbunden sind, einlassen und habe den Blick nach Kaschmir sehr genossen.
Lese-Freunde großer Epen werden dieses Buch bzw. die Saga lieben, auf deren weitere Bände ich mich freue!