Rezension

Große Erzählkunst

Das Hotel New Hampshire - John Irving

Das Hotel New Hampshire
von John Irving

Bewertet mit 5 Sternen

Liebe Community,

ich hatte kürzlich das ungeheure Vergnügen, "Das Hotel New Hampshire" von John Irving zu lesen. Bislang hatte ich lediglich sein neuestes Werk, "In einer Person", gelesen, welches ich trotz epischen Umfangs unglaublich gut fand. "Das Hotel New Hampshire" ist ein Irving vom ersten Satz an; überdreht, mitreißend, voller glücklicher und zutiefst trauriger Momente und immer hart an der Grenze zwischen Fiktion und kleinen Wahrheiten. Es mag manchen Lesern schwer fallen sich an die Geschichte zu gewöhnen, schließlich ist sie simpel und komplex zu gleich. Was sich wie ein Paradoxon anhört, ist etwas, dass sich meiner Meinung nach an vielen Stellen in John Irvings Stil findet. Es wird eine Familiengeschichte aus der Sicht des Sohnes John erzählt. Das klingt erst einmal unfassbar langweilig, entwickelt sich aber zu einem mitreißenden, kurzweiligen und faszinierenden Geflecht aus Episoden, die das Leben der Familie Berry begründen. Von einem auf den anderen Moment bricht ein Unglück über sie her, doch die Geschichte um die vielmehr drei Hotels New Hampshire nimmt unbeirrt ihren Lauf. Was mich persönlich an diesem Werk besonders gefallen hat, sind die Charaktere der Familie Berry aber auch die vielen Nebencharaktere, die einem im Laufe des Romans wahnsinnig ans Herz wachsen und es einem einen Stich versetzt, wenn das Schicksal erneut zuschlägt. Irvings Charaktere sind stets rund, man erfährt ihre vielen Seiten und Eigenschaften und verbringt Jahrzehnte zusammen, so fühlt es sich jedenfalls an. Mir persönlich ist auch nie der "rote Faden" abhanden gekommen, ich habe die vielen kleinen Episoden der Familiengeschichte als absolut komplementär empfunden; nicht wahrlos aneinander gereiht. 

Ein weiterer Aspekt, den ich am Hotel New Hampshire sehr schätze, ist die Gabe Irvings, Plätze und Städte so hingebungsvoll zu beschreiben, dass man sich am liebsten direkt in den Flieger nach Wien setzen würde. 

Zusammenfassend kann ich sagen, dass ich nach der letzten Seite des Hotel New Hampshires ein wenig wehmütig wurde, dass "meine Zeit mit der Familie Berry"  schon so schnell ein Ende genommen hatte.