Rezension

Gut gemachter Fantasyroman mit nicht ganz so starkem Ende

Die Fäden der Zeit - Lori M. Lee

Die Fäden der Zeit
von Lori M. Lee

Bewertet mit 3.5 Sternen

Die 17-jährige Kai lebt mit ihrem Bruder Reev in einem heruntergekommenen Teil der Stadt Ninurta, der von allen Bewohnern nur "Das Labyrinth" genannt wird. Dort hütet sie ihr größtes Geheimnis: Sie kann die Fäden der Zeit sehen und bewegen, also die Zeit manipulieren. Doch als Reev plötzlich verschwindet und Kai sich mit ihrem Freund Avan auf die Suche nach ihm macht, muss sie nicht nur das Labyrinth verlassen, sondern auch ihre geheime Gabe einsetzen..

Der Einstieg in das Buch fiel sehr leicht. Kai, aus deren Sicht das Buch geschrieben ist, gibt gleich zu Beginn einen kleinen Einblick in ihre Welt und ihr Leben, sodass man als Leser direkt ein Bild vor Augen hat. Zudem baut man sehr schnell Sympathie zu Kai auf: Die junge Frau hat schon einiges mitmachen müssen und ihr Bruder bedeutet ihr alles. Daher ist sie umso verzweifelter, als dieser plötzlich verschwindet und würde alles daran setzen, ihn wieder zu finden. Reev selbst ist dem Leser eine sehr geheimnisvolle Person. Zwar lernt man ihn als sehr liebevollen großen Bruder kennen, er scheint aber auch einige Geheimnisse zu haben, sodass direkt Spannung aufgebaut wird. Als dann noch Avan, Kais einziger Freund, mit von der Partie ist und dieser bei der Suche helfen will, wird die Spannung dann perfekt. Schön fand ich auch, dass zwischendurch immer wieder Erlebnisse aus der Vergangenheit mit aufgeführt wurden, sodass man die Beziehungen der einzelnen Personen untereinander noch mehr nachvollziehen konnte.

Das Thema der Fäden der Zeit fand ich originell und angemessen umgesetzt. Die Idee dahinter war mal ganz neu und hatte ich so noch nirgends gelesen. Während der Suche lag darauf nicht der Fokus, sondern auch andere Themen standen im Mittelpunkt, was aber auch gut so war, denn schließlich handelt es sich dabei um Kais Geheimnis, von dem möglichst wenige erfahren sollen. Besonders da sie sich vor dem Herrscher der Stadt, der selbst über Magie verfügt, fürchtet. Neben diesem Fantasy-Element treten noch viele weitere auf, wie zum Beispiel diverse Wesen, die in Kais Welt leben, wie Grautiere oder Gargoyles. Hier wurde ein schöner Spagat zwischen Fantasy und Realität geschaffen.

Auch die Handlungsorte fand ich sehr gelungen. Während in der Stadt viele Probleme herrschen, können die Bewohner diese aber gleichzeitig nicht verlassen und sind auf das Leben dort angewiesen. Denn außerhalb der Mauern lauern gefährliche Wesen und es gib nur Wüste.  Dabei ist der Autorin ein schöner Kontrast zwischen den verschiedenen Schauplätzen gelungen. Von den ärmeren und reicheren Vierteln der Stadt bis hin zu den Handlungsorten außerhalb gab es ein schönes Spektrum, das abwechslungsreich war und insgesamt dennoch gut miteinander harmoniert hat.

Gegen Ende hin fand ich die Geschichte dann etwas verworren. Auf den letzten Seiten werden viele Rätsel gelöst und Geheimnisse gelüftet, wodurch etwas viel an Informationen auf den Leser einprasselt. Hier hätte es mir besser gefallen, wenn diese schon im Verlauf der Handlung nach und nach mehr eingestreut worden wären, da ich etwas verwirrt hinterlassen  wurde und noch mehrmals im Kopf rekapitulieren musste, was genau denn jetzt eigentlich passiert war und wie was zusammen hängt. Für mich persönlich etwas schade, da hier das zuvor solide Buch etwas abgesunken ist und nicht mit der Klarheit des Hauptteils mithalten konnte.

Insgesamt war das Buch für mich ein gut gemachter Fantasy-Roman mit nicht ganz so starkem Ende, dafür aber mit tollen Schauplätzen und einer originellen Grundidee. Auf jeden Fall lesenswert!