Rezension

Gute Idee, in der Umsetzung schwächelnd

Numbers 01. Den Tod im Blick - Rachel Ward

Numbers 01. Den Tod im Blick
von Rachel Ward

Bewertet mit 4 Sternen

"Numbers - Den Tod im Blick" von Rachel Ward war für mich insgesamt ein gelungener Jugendroman.

Ich-Erzählerin ist die 15-jährige Jem, deren Mutter an einer Überdosis starb, als sie gerade einmal sieben war. Schon immer hatte Jem etwas in den Augen der Menschen gesehen: Eine achtstellige Zahl, die sie aber erst am Todestag ihrer Mutter verstand. Es ist das Datum, an dem ein Mensch stirbt. Jem fällt es schwer mit dem Fluch zu leben, immer zu wissen, wann ein anderer Mensch sterben wird und zieht sich zurück. In Pflegefamilien wächst sie unter sozial benachteiligen Jugendlichen in London auf und lernt beim ständigen Schuleschwänzen ihren dunkelhäutigen, hibbeligen Mitschüler genannt "Spinne" kennen, der ebenso wie sie durch seine Armut einen Hass auf den Rest der verspürt und schon mit 15 in den Drogenhandel abzurutschen droht.

Jem möchte eigentlich keinen Kontakt zu Spinne, denn sie kennt seine Zahl: 15.12.2010 - nur noch wenige Wochen bis zu seinem Tod. Doch Spinne lässt sich schwer abschütteln und so verbringen sie immer mehr Zeit miteinander und sind eine Woche vor Spinnes Todestag am London Eye - Jem gerät in Panik, denn alle Menschen in der Schlange haben die gleiche Zahl, den Tag, an dem sie dort sind. Jem und Spinne rennen weg und als das London Eye dann tatsächlich das Ziel eines terroristischen Anschlags sind, werden die beiden flüchtenden Jugendlichen zum Hauptziel der Fahndung. Jem und Spinne fliehen gemeinsam und lernen sich dabei besser kennen...

Sprachlich ist der Roman überzeugend. Jem und Spinne benutzen eine konsequente, etwas aggressive, etwas rotzige Umgangssprache, die ihren Alter und ihrem sozialen Milieu angemessen erscheint. Auch die Handlung an sich ist gut und spannend. Jems ständige Angst, die Mauer, die sie um sich selbst errichtet hat, zugunsten eines anderen Menschen einzureißen, ist interessant, ebenso wie die Sorge um Spinnes anstehenden Tod. Immer wieder denkt Jem darüber nach, ob sie ihn wohl verhindern kann, denn sie lernt Spinne in den Tagen ihrer Flucht nicht nur kennen, sondern auch lieben. In ihrem Hass auf die Welt sind Spinne und Jem nicht immer sympathisch, aber aufgrund ihrer Lebensgeschichte glaubhaft.

Daher ist es auch weniger die vorhandene Handlung, die bewirkte, dass mich dieser Roman nicht hundertprozentig überzeugen konnte, sondern das was fehlt: Die Idee, dass Jem das Todesdatum eines jeden Menschen sehen kann, ist doch sehr interessant - aber es wird kaum daruaf eingegangen. Natürlich ist es die Ursache für Jems Isolation, der Grund für die Flucht von London Eye und der Unheilsbote in der Beziehung zu Spinne, aber ansonsten bleibt es blass. Spinnes Oma Val hat irgendwie ein Gespür für Jems Fähigkeiten, aber wieso, warum, weshalb? Wieso hat Jem diese Fähigkeit? Sind Jems und Spinnes Hass und Misstrauen gegenüber Allem und Jedem zusammen mit ihren sozial schwachen Umgebung und ihrer offensichtlichen Bildungsphobie nicht schon genug Grund für Isolation und auch dafür, dass sie ins Zentrum von Polizeiermittlungen geraten?

Für mich irgendwie schon und so habe ich vergeblich darauf gewartet, dass Jems Fähigkeit noch einmal irgendeine Bedeutung bekommen würde, die der Geschichte eine andere Ebene gibt, als der - wirklich nicht schlechte - Plot über zwei verkorkste Jugendliche auf der Flucht. Weil das nicht passiert, war ich am (etwas klischeebeladenen, aber im Ganzen überzeugenden) Ende trotz der guten Geschichte etwas enttäuscht.

Dennoch, insgesamt ein wirklich gutes Bucht, das auch für Erwachsene sehr lesenswert ist und besonders durch die hervorragend gelungenen, glaubhaften, wenn auch nicht immer sympathischen Protagonisten überzeugt. Eine kleine Enttäuschung bleibt bei mir einfach zurück, weil die gute Idee, der Fantasy-Anteil in den Handlung, letztendlich nicht die erwartete Rolle spielte.