Rezension

Hereinspaziert, Sohn der Raserei und der Finsternis...

Stadt der Mörder -

Stadt der Mörder
von Britta Habekost

Bewertet mit 5 Sternen

„Stadt der Mörder“ ist ein außergewöhnlicher historischer Kriminalroman, der sich deutlich von dem unterscheidet, was man üblicherweise in diesem Genre geboten bekommt. Handlungsort ist Paris in den zwanziger Jahren. Der Krieg ist längst zu Ende, die Menschen richten sich wieder in ihrer Normalität ein. Aber nicht alle können das Erlebte vergessen, zu tief sind die Wunden, die der Krieg geschlagen hat. Bilder von zerfetzten Kameraden auf den Schlachtfeldern, das Wissen, gerade noch einmal davongekommen zu sein, all das hat sich tief in die Seelen der Überlebenden eingebrannt. Aber das Leben geht weiter…

Lysanne, eine junge Frau vom Land, sucht nach ihrer Schwester, die vor vier Jahren spurlos verschwunden ist. Naiv und ohne einen Franc in der Tasche, überwältigt von all den Eindrücken, die die glamouröse Metropole an der Seine ihr vermittelt, scheint sie für die Opferrolle geradezu prädestiniert zu sein.

Julien Vioric, Lieutenant der Kriminalpolizei, hat die Schrecken des Krieges zwar überlebt, aber die Verluste in seinem persönlichen Umfeld machen ihm noch immer zu schaffen. Und auch sein aktueller Fall bringt ihn bis an die Grenze des Erträglichen. Am Place du Panthéon wird die brutal verstümmelte Leiche eines jungen Mannes gefunden, das erste Opfer in einer Reihe grausamer Morde, verübt von einem entfesselten und äußerst brutalen Täter.

Im Laufe seiner Ermittlungen verdichten sich für Vioric die Hinweise, dass der Täter aus den Reihen der Surrealisten kommen könnte, einer buntgemischten, anarchistischen Gruppe, in deren Reihen Schriftsteller, Maler und bildende Künstler zu finden sind. Sie lehnen die Werte der Bourgeoisie ab und propagieren eine neue Sicht auf die Welt, damit sich ein Ereignis wie der Erste Weltkrieg nicht wiederholt.

Und ab hier wird es richtig interessant. Zum einen kreuzen sich hier die Wege des Ermittlers und Lysanne, die sich mittlerweile in deren Umfeld bewegt, zum anderen beschreibt die Autorin diesen elitären Zirkel sehr detailliert und macht uns mit den real existierenden Vertretern (Breton, Aragon etc.) und deren Gedankengut bekannt. Und dann taucht auch noch in einem Antiquariat ein Werk auf, das der Handlung eine neue Wendung gibt und alle Konventionen sprengt: „Die Gesänge des Maldoror“.

Eine melancholische Grundstimmung, düstere Bilder, stimmige Atmosphäre, destaillierte Hintergrundinformationen, interessantes Personentableau, all das zu einer vielschichtigen Krimihandlung verwoben. Lebendig und gleichzeitig poetisch erzählt. „A diamond in the rough“ im Meer der historischen Krimis. Lesen!