Rezension

Ich liebe es!

Mängelexemplar - Sarah Kuttner

Mängelexemplar
von Sarah Kuttner

Bewertet mit 5 Sternen

Karo macht gerade eine schwierige Zeit durch. Ihre Beziehung ist gescheitert, die berufliche Situation ist alles andere als rosig und ihre Gefühle verursachen ein einziges Chaos. Dazu ist die Angst ihr ständiger Begleiter. Karo will wieder sie selbst sein und Dinge ohne Ängste überstehen. Sie beschließt, eine Therapie zu beginnen und lernt sich und ihre Gefühlswelt noch einmal vollkommen neu kennen und realisiert, was im Leben wirklich zählt.

Ich liebe dieses Buch und kann mittlerweile gar nicht mehr so genau sagen, wie oft ich dieses bereits gelesen habe. Sarah Kuttner kannte ich bereits vor diesem Buch durch ihre Kolumnen und ihren Fernsehauftritten und fand sie immer ganz nett. Als ich dieses Buch jedoch vor knapp zwei Jahren in den Händen hielt, war es um mich geschehen. Ich bin nur so durch die Seiten geflogen und habe jedes Wort förmlich verschlungen.
Auch jetzt – nach dem ca. zehnten re-read – geht es mir ganz genauso. Sarah Kuttner hat ein unglaubliches Talent mit Worten umzugehen. Jeder Satz scheint nahezu perfekt zu sein: Einfühlsam, intensiv, authentisch – und somit brachte sie mich mit “Mängelexemplar” so manches mal zum Lachen und zum Weinen.

Der Schreibstil ist locker und eingehend. Auch wenn die Autorin offen lässt, ob die Handlung autobiographisch ist, habe ich ihr von Anfang an jedes Wort geglaubt. Trotz des recht ernsten Themas gibt es sehr viele humorvolle und sarkastische Stellen, die beweisen, dass man auch anders mit dem Thema Ängste und Depressionen umgehen kann. Hier wird kein großartiges Mitleid erzeugt, sondern die knallharten Fakten aufgelistet, die man bei diesem Krankheitsbild erwarten kann.

Karo ist eine großartige Protagonistin, die man einfach ins Herz schließen muss. Trotz vieler Probleme und Schwächen steht sie zu sich selbst und erwartet dies auch in gewisser Weise von ihrem Mitmenschen. Sie ist schnell aufbrausend und ungeduldig, gibt sich aber nahezu immer recht tough, wundert sich dann aber, wenn ihr Umfeld nicht mitbekommt, dass es ihr innerlich schlecht geht. Sehr unglücklich ist auch ihr Liebesleben. Ihre letzte Beziehung war ein vollkommenes Desaster, die nur noch sporadisch bestand. Auch weitere Liebeleien sind für sie – in ihrer Sprache – zwar ganz okay, aber mehr auch nicht. Nur ihr bester Freund Nelson scheint der einzige Mann zu sein, der sie nie enttäuscht.
Ihr Verhältnis zu ihrer Mutter ist zunächst schwierig. Sie haben keine typische Mutter/Tochter-Beziehung, sondern gehen eher verhalten miteinander um. Sie müssen sich nicht oft sehen oder miteinander telefonieren, um zu wissen, dass die andere Person noch da ist, viel mehr sind ihre Treffen recht selten. Durch Karos Ängste und Depressionen kommen sich die zwei unterschiedlichen Frauen jedoch wieder näher und können gelassener miteinander umgehen.

Die Art und Weise, wie Karo mit sich und ihrer Psyche umgeht, ist bemerkenswert. Sie gesteht sich ein, dass sie krank ist. Sie lernt zu akzeptieren, dass nicht nur ihr Körper, sondern auch ihre Seele kranken werden kann und vor allem darf. Sie geht recht offen mit ihrer Krankheit um und nimmt sich eine Auszeit von ihrem Leben. Gleichzeitig verliert sie aber nie das Ziel vor Augen, wieder vollkommen angstfrei und ohne Depressionen zu leben.

Eine Befürchtung, die viele Menschen haben, ist, dass Antidepressiva das Bewusstsein, die eigene Persönlichkeit verändern. Dass man von Tabletten gesteuert ist und nicht mehr man selbst. Das stimmt aber nicht. Ich fühle mich nicht fremd. Die Tabletten machen mich nicht falsch glücklich, nur weniger chaotisch. Ich bin traurig, wenn ich traurig bin, und unsicher und ängstlich, wenn es passt. Nicht mehr alles auf einmal. Und allein das erleichtert mich ungeheuer.

Ihr bester Freund Nelson unterstützt sie, wo er nur kann. Durch seinen Job bei einem Homeshopping-Sender hat er einen gewissen Bekanntheitsgrad, der ihn aber grundsätzlich kalt lässt. Mit seiner lockeren Art und seinem zum Teil schrägen Humor, schafft er es immer wieder, Karo zu beruhigen. Er akzeptiert ihre Macken und holt sie so manches Mal auf den Boden der Tatsachen zurück.
Gleiches gilt für ihre Mutter, mit der sie zwar nicht viel zu tun hat, aber dennoch für ihre Tochter da ist, wenn sie diese braucht. Auch sie ist an Depressionen erkrankt und kann sich dadurch gut in ihre Tochter hineinversetzen.

Die Covergestaltung ist sehr schlicht, aber durchaus passend, da diese Geschichte kein großartiges Cover braucht. Die zerknitterte Seite passt nicht nur gut zum Titel, sondern auch zu Karos aktueller Psyche. Auch die Kurzbeschreibung ist sehr gelungen. Sie verrät nicht zu viel und macht Lust, dieses Buch zu lesen.

Insgesamt konnte mich Sarah Kuttner mit “Mängelexemplar” sehr begeistern. Der lockerflockige Schreibstil und die wunderbaren Charaktere machen das Buch trotz ernstem Thema zu einem unterhaltsamen Leseerlebnis. Da dieses Buch zu meinen absoluten Lieblingsbüchern gehört, kann ich dieses Buch absolut jedem empfehlen!