Rezension

Informativ. Ergreifend. Lesenswert!

Henning flieht vor dem Vergessen - Hilda Röder

Henning flieht vor dem Vergessen
von Hilda Röder

Bewertet mit 5 Sternen

Henning Landes ist ein fröhlicher, lebenslustiger 68jähriger Niederländer, der glücklich mit Luise in zweiter Ehe lebt. Aus erster Ehe hat er drei inzwischen erwachsene Kinder und sogar schon Enkelkinder. Alles könnte perfekt sein, jedoch bemerkt Luise, dass Henning zunehmend vergesslicher wird, was er jedoch auf sein nicht mehr ganz jugendliches Alter schiebt. 
Dennoch geht er zu seinem Hausarzt, wo er die niederschmetternde Diagnose erhält: Alzheimer! Was das bedeutet, das ist ihm aufgrund seiner vergangenen Erfahrungen mit seinem Großvater leider nur zu bewusst; die Angst vor dem würdelosen Altern und nicht mehr Herr seiner Sinne zu sein, lässt Henning zu einem schweren Entschluss hinreißen: Er möchte die Euthanasie beantragen und bittet seinen Hausarzt hierbei um Hilfe…

Der Leser darf Henning auf seinem Weg begleiten, er lernt Hennings Umfeld kennen, Luise, seine Kinder, aber auch seine Vergangenheit. Diese wird in gut platzierten Rückblenden von der Autorin Hilda Röder erzählt, so dass man nachvollziehen und verstehen lernt, was Henning zu seiner Entscheidung veranlasst. 
Natürlich ist es kein geradliniger Weg, den er dabei nimmt, vielmehr sind es zahlreiche Schleifen, bei denen der Leser in die Gedanken und Gefühle mit eintauchen darf, die sowohl die Hauptfigur, als auch die Personen, die ihm nahe stehen, bewegen.

An dieser Stelle möchte ich natürlich nicht den gesamten Inhalt wiedergeben, den kann jeder selbst erkunden.
Was mir hier viel mehr am Herzen liegt, ist die Tatsache, dass Hilda Röder wunderbar gefühlvoll mit gleich mehreren schwierigen Thematiken umgeht und den Leser damit zum Nachdenken anregt. Sie pflanzt nicht ihre endgültige, eigene Meinung in die Köpfe, sondern gibt vielerlei Anstöße, sich hier und da selbst ein Bild und eine Meinung zu bilden. 
Dabei stehen natürlich die Erfahrungen mit dem Alzheimer immer stark im Vordergrund, eine Krankheit, die im fortschreitenden Verlauf Vergessen und den Verfall der eigenen Zurechnungsfähigkeit bedeutet.
Natürlich diskutiert Henning aber auch den Begriff der Würde, was diese für ihn bedeutet und welche Bedeutung sie für seine Kinder, seine Frau trägt. Auch hierbei spielen die Rückblenden in seine Vergangenheit eine große Rolle, seine eigenen Erfahrungen und die seiner Liebsten.
Nicht zuletzt finden Gedanken zum Für und Wider beim begleiteten Sterben ihren Platz.
So war es für mich sehr schwer zu erfahren, dass Henning sich nicht nur entscheiden muss, solange er im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte ist, sondern auch die Sterbehilfe vollzogen haben muss, wenn er sich denn tatsächlich dafür entscheidet, solange er noch „fit genug“ ist dazu. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass die Zeit drängt und er unter Umständen auch viele wertvollen Jahre herschenken muss, um seinem Wunsch in Würde zu sterben gerecht werden zu können.

Zugegebenermaßen hatte ich nicht nur einmal Tränen in den Augen und musste häufiger zum Taschentuch greifen, als ich es von mir beim Lesen eines Buches gewohnt bin, jedoch handelt es sich hierbei auch nicht um ein gewöhnliches Buch, nein, im Gegenteil! 
Es ist kein purer Tatsachenbericht, kein Sachbuch, sondern ein Roman, jedoch merkt man an jedem einzelnen Satz, dass Hilda Röder vom Fach ist, selbst Erfahrungen auf diesem Gebiet hat und sich als geborene Niederländerin ganz anders mit der Thematik auseinandergesetzt hat, als es der Durchschnittsbürger hierzulande vermutlich tut. Dies liegt sicherlich auch daran, dass Sterbehilfe dort erlaubt ist, hier leider nicht.
In jedem Fall ist es ein absolut überzeugendes Buch, das ich jedem, ob jung oder alt, ans Herz legen möchte! 

Danke für die Denkanstöße! Danke für die Informationen! Danke für alles!
Danke für diese unglaubliche Leseerfahrung!