Rezension

Interessante Geschichte mit gewöhnungsbedürftigem Schreibstil

In Schweigen gehüllt
von Rüdiger Heins

Abstrakte Kunst der Literatur

Im Jahre 1903 wird Honorine Steimer, eine ehemalige Ordensfrau in ihrem Keller in einem kleinen Ort an der Nahe ermordet. Da sie stets eine helfende Hand hatte und sich um die Kranken und Bedürftigen kümmerte, war sie in der Gegend sehr geachtet und beliebt. Schnell ist klar, wer sie ermordet hat. Aber es bleiben viele Fragen offen. Warum wurde sie ermordet? Warum ist sie aus dem Orden ausgeschieden? Wozu bekam sie seit Jahren bis zu ihrem Tod Gelder aus dem Orden?

„In Schweigen gehüllt“ ist ein Montageroman. Formal verschiedenartige Textteile mit unterschiedlichen Themen und in verschiedenen Zeiten spielend werden aneinandergereiht, oft nur durch eine Leerzeile voneinander getrennt. Dadurch gleicht der Roman einem Mosaik oder einem Puzzle. Es sind auch immer wieder Texte von einer Kellerassel oder Gebete eingefügt, die scheinbar willkürlich eingesetzt sind und nichts mit dem Geschehen zu tun zu haben scheinen. Auch Berichte von Zeitzeugen, teilweise Jahrzehnte später erzählt, muten seltsam an, weil sie irgendwie fehl am Platz wirken. Das ist aber ein Stilelement des Montageromans und gehört zu dieser Erzählform einfach dazu.

Für mich war es der erste Montageroman, den ich gelesen habe, und ich fand den Schreibstil sehr gewöhnungsbedürftig. Dennoch fand ich die Geschichte gut. Es handelt sich um eine wahre Begebenheit, die zudem in meiner Heimat spielt. Gerade das hat mich auch gefesselt. Allerdings hatte ich mit einem historischen Roman mit Krimielementen gerechnet. Dass der Mörder von Beginn an bekannt war, hat dem ganzen leider die Spannung genommen. Aber auch das war wohl volle Absicht des Autors. Die Beweggründe des Mörders und die Beantwortung der Frage, warum die Nonne aus dem Orden entlassen wurde und wozu sie bis zu Ihrem Tod Geld bekam, werden erst zum Schluss überwiegend beantwortet, wobei mir persönlich zu viele Dinge ungeklärt bleiben.

Die Bewertung dieses Buches finde ich sehr schwierig. Der Erzählstil ist extrem gewöhnungsbedürftig und ich neigte dazu, gewisse Textpassagen wie z. B. die Gebete zu überspringen. Dennoch kann ich das Buch nicht deshalb schlecht bewerten, weil ich persönlich den Stil des Montageromans nicht so ansprechend finde. Die Geschichte an sich fand ich gut. Auch hat der Autor viel recherchiert. Leider sind mir die Beweggründe des Mörders, die wohl in seiner leidvollen Kindheit lagen, nicht ganz klar geworden. Darüber wurde zu wenig berichtet. Vielleicht hätte ich auch einfach mehr zwischen den Zeilen lesen müssen. Auch weiß ich nicht, ob der Ich-Erzähler im Roman, der bis zum Schluss anonym blieb, gleichzeitig der Autor des Buches ist. Hat der Autor mit der Geschichte des Nonnenmörders auch gleichzeitig seine eigene leidvolle Kindheit verarbeitet oder sind Autor und Ich-Erzähler zwei verschiedene Personen?

Der Leser dieses Romans sollte sich von Beginn an klar darüber sein, dass es sich um ein einen Montageroman handelt. Für mich fühlt sich das an wie abstrakte Kunst der Literatur. Ich glaube, dass beschreibt es am besten.

Als Bewertung gebe ich dem Roman 3 von 5 Sternen. Die Geschichte fand ich fesselnd, den Schreibstil eher störend. Enttäuscht war ich etwas darüber, dass selbst nach Lesen des Nachwortes, das noch einmal einige Klarheit über die Stilmittel gebracht hat, immer noch Fragen zum Inhalt offen geblieben sind. Der Roman ist nichts für jedermann, aber für experimentierfreudige Leser sicher ein Gewinn.