Rezension

Kannst du dir eine Welt ohne Lügen vorstellen?

Honesty. Was die Wahrheit verbirgt -

Honesty. Was die Wahrheit verbirgt
von Franzi Kopka

Bewertet mit 4 Sternen

Franzi Kopka konnte mich bereits mit ihrer rasanten Reihe „Gameshow“ begeistern. Da ich Dystopien liebe, musste ich ihr neues Buch unbedingt lesen. In diesem Reihenauftakt dreht sich alles um ein System, in dem die Wahrheit über allem steht. Lügen, Wut, Neid und Misstrauen gehören der Vergangenheit an. Die Zeit der Kriege ist vorbei und alle Menschen sind zufrieden – oder doch nicht?

„Im Türrahmen bleibe ich stehen und lasse mich ein letztes Mal in den Abgrund ziehen. In den ganzen Schmerz, in die Sehnsucht, die verbotenen Wünsche. »Hast du was vergessen?« Nick dreht sich zu mir um. Sofort reiße ich mich los. »Nein. Ich denke, ich habe alles.« Abgesehen von meinem Herzen, das für immer verloren ist. Verloren zwischen frostblauen Dornen.“ Auszug aus „Honesty – Was die Wahrheit verbirgt“.

„Honesty – Was die Wahrheit verbirgt“ ist eine Dystopie im Bereich Jugendliteratur. Dank des lockeren Schreibstils ist mir der Einstieg in das Buch sehr leicht gefallen. Franzi Kopka versteht es meisterlich, den Leser von der ersten Seite an gut abzuholen und in der Geschichte versinken zu lassen. Die Altersempfehlung des Buches ab 14 Jahren finde ich sehr passend, da dieser Reihenauftakt zum Nachdenken anregt, jedoch weitestgehend ohne grausame oder blutige Szenen auskommt.

Die Autorin zeichnet in dieser Reihe eine Welt, die dem klassischen Aufbau einer Dystopie im Jugendbuchsektor gleicht. Im Jahr 2306 existiert Deutschland nicht mehr - im Zuge des Umbruchs wurde aus Deutschland Sestiby. Dank des Serums VeriTab werden alle Menschen dazu gezwungen, die Wahrheit zu sagen. Die künstliche Intelligenz AISS sorgt für die Einhaltung aller Regeln und meldet verhaltensauffällige Menschen. Eine schichtbezogene Abgrenzung wird durch ein Klassen-System erreicht. Die Kombination aus Überwachung durch die KI und Beeinflussung der Bürger durch VeriTab sorgt vermeintlich für Ruhe und Frieden. Obwohl Mae weiß, dass irgendetwas an ihr anders ist, hatte sie nie einen Grund, am System zu zweifeln. Doch schon bald gerät ihre Systemtreue ins Wanken. Die Schuld daran trägt ausgerechnet das Partnerschaftsprogramm der Regierung.

Das Konzept einer Welt ohne Lügen klingt auf den ersten Blick sehr verführerisch. Jeder Verbrecher müsste auf Nachfrage seine Tat sofort gestehen. Dafür würde schon die unverfängliche Frage eines Freundes ausreichen. Kaum hätte der Satz „Was hast du gestern gemacht?“ den Mund des Freundes verlassen, müsste der Täter alles gestehen. Diese Grundidee hat mir ausgesprochen gut gefallen und ich war sehr gespannt auf die Umsetzung in der Geschichte.

Im Gegensatz zu ihrer ersten Dystopie „Gameshow“ setzt Franzi Kopka in diesem neuen Reihenauftakt weniger auf nervenzehrende Spannung und actionreiche Szenen. Der Fokus des Buches liegt lange Zeit eher auf der zwischenmenschlichen Ebene und der Dynamik zwischen den verschiedenen Charakteren. Die Autorin punktet mit einer wunderbaren Ausarbeitung der Protagonisten. Neben Mae habe ich besonders ihre Familie ins Herz geschlossen. Ihre beiden Väter Oliver und Arthur, die kleine Schwester Cara und natürlich Nick, den großen Bruder von Mae. Auch wenn Maes große Schwester Vain in diesem ersten Band keine gute Figur macht, bin ich doch sehr gespannt auf ihre Rolle in der Fortsetzung. Hinter ihrem Verhalten muss einfach mehr stecken. Die Liebesgeschichte kommt in diesem ersten Band kaum zum Tragen, da sie sehr langsam aufgebaut wird. Fans von Slow-Burn Liebesgeschichten kommen hier auf ihre Kosten. Das Tempo der Geschichte ist lange Zeit recht ruhig und wird nur langsam gesteigert. Am Ende geht es dann Schlag auf Schlag. Der Leser kommt kaum zum Luftholen, bis die Geschichte plötzlich in einem fiesen Cliffhanger endet.

Lobend zu erwähnen ist auch die Gestaltung des Hardcovers. Die Aufmachung der Erstauflage mit dem schwarzen Farbschnitt ist sehr ansprechend. Besonders gut hat mir gefallen, dass die Illustrationen im Buch von der Schwester der Autorin stammen. Das gibt dem Buch eine sehr persönliche Note und spiegelt den Zusammenhalt wider, den auch Maes Familie ausmacht. Besonders süß fand ich die Zeichnung „Du und ich“ auf Seite 144.

FAZIT: „Honesty – Was die Wahrheit verbirgt“ ist eine richtige Wohlfühl-Dystopie für jüngere Leser. Franzi Kopka versteht es meisterlich, den Leser in der Geschichte versinken zu lassen. Dank der wunderbaren Ausarbeitung der Charaktere fühlt man sich während des Lesens fast schon wie ein Teil der Geschichte. Du magst liebevoll ausgearbeitete Charaktere, Forbidden Love, Enemies-to-Lovers, jede Menge Intrigen und fühlst dich auch ohne viele actionreiche Szenen gut unterhalten? Dann schau dir unbedingt „Honesty“ an.