Rezension

Keine einfache Lektüre

Nachhall - Beile Ratut

Nachhall
von Beile Ratut

Bewertet mit 3.5 Sternen

„…Es sind die Stimmen, deren Nachhall unser Leben bestimmt…“

 

Espen, 30 Jahre alt, kommt in der Nacht in einer fremden Stadt an.  Sie möchte weiter nach den Norden, doch der Weg wird ihr verwehrt; sie kann die Stadt noch nicht verlassen.

Die Autorin hat einen sprachgewaltigen Roman geschrieben. Er spielt in verschiedenen Zeiträumen. Da sind zum einen die Ereignisse in der Gegenwart, zum anderen sind es die Erinnerungen eines siebenjährigen Kindes. Außerdem gibt es Rückblenden in die Vergangenheit, die zwischen Kindheit und Heute spielen.

Das Buch ist nicht einfach zu lesen. Man muss sich darauf einlassen und läuft doch Gefahr, nicht alle Bilder, die die Autorin mit ausdrucksvoller Sprache zeichnet, zu verstehen. Neben den realen Geschehen führt der Roman in eine philosophische Tiefe, die unerwartet kommt und eine gewisse Vorbildung voraussetzt.

Einen großen Raum im Roman nimmt der Begriff der Schuld ein. Es ist nicht nur Espen, deren Leben von einer Schuld geprägt wird. Verschiedene Personen nahen sich ihr und vergrößern dieses Schuldgefühl. Wiederholungen ganzer Sätze und Abschnitte hintereinander oder zu unterschiedlichen Zeitpunkten verstärken den Effekt.

Die Autorin zeichnet ein erschreckendes Bild der Gesellschaft, in der sich Espen bewegt. Vieles passt auf unsere Zeit wie Manipulation, Medikamentenmissbrauch, Bespitzelung, anderes wie Ausgrenzung und Bevormundung erinnert mich eher an vergangene Zeiten. Aber ist das wirklich so?

Nicht zuletzt geht es um uneigennützige Liebe, um eine Liebe, die keine Bedingungen stellt. Immer wieder aber erlebt Espen, dass Zuneigung gegen Nützlichkeit abgewogen wird.

Neben der eigentlichen Romanhandlung gibt es Teile, dort reden Stimmen. Die Seiten sind anders gestaltet, schmaler gehalten. Für mich waren das zwei unterschiedliche Stimmen. Doch hier möge der zukünftige Leser sich selbst ein Urteil bilden. Es ist mit den Stimmen wie mit vielen Bildern des Buches, sie lassen sich unterschiedlich interpretieren.

Fast genau in der Mitte des Romans wird der Ort beschrieben nach dem Espen aufgebrochen ist: das Haus der Freude.

Das Cover des Buches wirkt geheimnisvoll.

Das Buch hat mir gut gefallen, gehört aber nicht zur leichten Lektüre. Während sich der Inhalt wegen seiner Komplexität stellenweise nur schwer erschließt, ist der Sprachstil überwältigend.

Aufzählungen, treffsichere Metapher, Sätze, die in jedes Zitatenlexikon passen wegen ihrer Aussagekraft, sind nur einige der verwendeten Stilelement.