Rezension

Komplex und blutig und beinahe genial

Ein Paradies, gebaut auf Sand - Anja Zimmer

Ein Paradies, gebaut auf Sand
von Anja Zimmer

Bewertet mit 5 Sternen

Von 1537 bis 1557, immer entlang an den Lebensdaten der Herzogin Elisabeth zu Sachsen, und im kurzen Epilog einen Ausblick bis zum Ausbruch des Dreissigjährigen Krieges gewährend, spannt sich der zweite Band von Anja Zimmers „Ein Paradies auf Sand gebaut“, einem historischen Roman, der sich mit der Geschichte Deutschlands beschäftigt, das im 16. Jahrhundert noch die Geschichte einzelner deutscher Fürstentümer und des Kaisers Karl V. als oberster weltlicher Autorität gewesen ist.

Es war die Zeit der Reformation und der Kampf um den neu aufgekommenen Protestantimus, der die Verkündigung des Evangliums in deutscher Sprache statt in Latein durchsetzte, tobte. In den schmalkaldischen Kriegen wurde der Protestantismus verteidigt, jedoch zurückgedrängt durch Kaiser Karl V, der sich durch den „Neuen Glauben“ in seinen Rechten bedroht fühlte. So schlug er mit voller Härte zu, sobald seine Kriege gegen seinen Lieblingsgegner Frankreich und gegen das Türkenland dies zuliessen, und trieb, so viel er konnte, durch Intrigen einen Keil zwischen die Verbündeten des Schmalkaldischen Bundes.

Hässliche Kriege, zahlreiche Schlachten, überzogen in Folge die deutschen Lande und besonders das gemeine Volk wurde ohne Rücksichten von den jeweiligen durchziehenden Heeren entweder der einen oder der anderen Seite ausgeraubt, geplündert, geschunden, gefoltert, vergewaltigt, getötet.

Die persönliche Lebensführung der herrschenden Klasse trägt nicht gerade zum Friedenserhalt bei, ja erschwert ihn oft gerade zu oder macht ihn unmöglich. Herzog Phillip von Hessen, der Bruder Elisabeths, ist durch seine Doppelehe so angreifbar geworden, dass er in den kaiserlichen Bann getan werden darf, und wie er und der Kurfürst von Hessen in Kriegsgefangenschaft geraten und wie sein Schwiegersohn Herzog Moritz von Sachsen, selbst nach der Kurfürstenwürde strebend, zwischen die Fronten gerät, und wie Elisabeth sich aufreibt in der Liebe zu diesen beiden Männern, dies alles und noch viel mehr, erzählt Anja Zimmer aus der spannenden deutschen Geschichte des 16. Jahrhunderts. Es ist Geschichte, die sich liest wie ein Thriller, wie eine herzzerreissende Romanze und wie die Reportage einer endlosen Schlacht, in der die Kriegspausen immer kürzer werden.

Am Ende des Bandes sind nach all dem Gemetzel auch die Protagonisten, dem Lauf der Welt gemäss, endlich dahin gegangen. Auch der blutrünstige und unerbittliche Kaiser Karl V. wird bald sterben, aber die Geschichte Deutschlands und der Welt wird blutig bleiben.

Anja Zimmer ist es gelungen, komplexe Sachverhalte verständlich und spannend in ansprechender Sprache an die Leserschaft zu bringen. Die grossen Zusammenhänge werden eingebettet in Einzelschicksale ohne dass der Rote Faden der Weltgeschichte losgelassen wird.

Besser machen ... könnte man das Pesonenregister, hier sollte man die Handelnden ihren Allianzen gemäss zusammenstellen; und es dürfte ausführlicher sein. Die gelegentlichen, stimmungserzeugenden Beschreibungen von Land und Natur wurden beinahe ausschliesslich an die Person Elisabeths gebunden und ähnelten sich untereinander stark. Das Ende hätte ich mir gebündelter im Stil des Epilogs verarbeitet gewünscht. Diese Details haben den grossen Wurf indess nicht ernsthaft in Frage gestellt.

Fazit: Ein lehrreicher und empfehlenswerter Ausflug in die  Geschichte des 16. Jahrhunderts.