Rezension

Längst überfälliges Thema!

Inside Islam - Constantin Schreiber

Inside Islam
von Constantin Schreiber

Bewertet mit 5 Sternen

Kaum habe ich meine Rezension veröffentlicht, muss ich mich "wehren". Wer also etwas zu kritisieren hat, was im Buch steht, der soll es gefälligst erst einmal selber lesen! DANN kann er mitreden. Ich habe die Nase voll von Leuten, die vom Hörensagen kommen und den Islam verteidigen wollen. Es geht um einen Erlebnisbericht und um sachliche Aufklärung.

Der Autor dieses Buches ist Constantin Schreiber, Jahrgang 1979. Er ist Journalist, Grimmepreisträger 2016, und spricht fließend arabisch. Über acht Monate lang besuchte er in willkürlich ausgesuchten Orten, zum Beispiel in Berlin, Hamburg oder Karlsruhe das Freitagsgebet der Muslime in Moscheen der vorgenannten Orte. In dreizehn Moscheen war er zu Besuch. Er zeichnete die Predigten auf, besprach sie mit Übersetzern und Islamexperten. Er trat immer offen auf, sagte freimütig, er würde für ein Buch recherchieren und bat im Anschluß der Predigten um einen Gesprächstermin mit den verkündenden Imamen. In acht von dreizehn Fällen wurde ihm ein solches Gespräch verweigert. Ausreichend Deutschkenntnisse für derartige Konversationen waren selten vorhanden, auch nicht bei Imamen, die schon jahrelang in Deutschland lebten. Überall in den jeweiligen Moscheen wurde er jedoch sehr freundlich aufgenommen.

Was berichtet Constantin Schreiber in „Intern Islam?“ Was ist so brisant, dass er bei seinem Besuch in der Talkshow „Markus Lanz“ am 5. April 2017 von Herrn Lanz recht unfreundlich, wie ich fand, angegangen wurde? Ob er mit seinem Buch nicht Unfrieden stiften würde? Und ob er seine Erstellung nicht bereut? Mir anderen Worten, es sei nicht political correct. Ich möchte, weil ich diese Sendung gesehen habe, anmerken, dass als Gegengewicht extra ein deutscher Imam namens Husamuddin Meyer eingeladen wurde, dem gefühlt (ich habe es nicht nachgemessen) doppelt so viel Redezeit zugestanden wurde und der nicht immer wieder von Herrn Lanz unterbrochen und angegangen wurde, wie es bei Herrn Schreiber der Fall war.

Der Aufbau dieser dreizehn im Buch wiedergegebenen Eindrücke seiner Moschee-Besuche ist immer derselbe. Vor der eigentlichen Predigt stellt Constantin Schreiber die wesentlich politischen Ereignisse der Woche (meist Deutschlands) dar. Dann beschreibt er die Moschee selbst bzw. den Ort, an dem sie sich befindet und welches Publikum er antrifft. Danach ist die Predigt wörtlich wiedergegeben. In Anschluß diskutiert er deren Inhalt mit Experten, macht eigene Anmerkungen und fügt erläuternde Fussnoten an.

Die Lektüre der Predigten ist zumindest für jemanden, der keine geistlichen Texte gewöhnt ist, ermüdend. Es gibt viele wiederkehrende Formeln und Redewendungen. In die ersten Sätze der Predigten gehört die Formel: „Wer auch immer Gott recht bittet, den kann niemand irreführen, und wen auch immer Gott irreführt, den kann niemand rechtleiten.“ Die Predigten sind lang und zum Teil blumig. Ich habe nicht alle zu Ende gelesen, aber den größten Teil. Sie sind uns westlich geprägten Menschen auch nicht so schnell zugänglich, nicht nur, weil sie sich auf den Koran beziehen, was ja selbstverständlich ist, sondern auch, weil es kaum Auslegung gibt, die sie klar auf die heutige Zeit anwendbar und praktikabel im Alltag machen.

Die Diskussion Constantin Schreibers mit den Experten und seine eigene Meinung darüber, was er gehört und erlebt hat, sind dagegen sehr interessant.

Sowohl in der Einleitung wie auch im Nachspann erfährt man Mancherlei, was man/ich noch nicht über den Islam wußte. Die fünf Pfeiler des Islam sollte aber jeder am besten schon vorher kennen. So wie auch jeder die Grundzüge des christlichen Glaubens kennen sollte.

Einige Zitate aus Einleitung und Nachwort.

„Wir wissen eigentlich nichts Verläßliches darüber, wie viele Muslime bei uns leben, wie viele Moscheen es gibt und wie sich muslimisches Leben bei uns in seiner Vielfalt darstellt.“

„Moscheen sind politische Räume“.

„Wenn über die Besteuerung von Kamelen und Kichererbsen referiert wird, dann werden die Besucher in einer anderen Welt gehalten. Diese eigentlich unpolitischen Äußerungen haben also durchaus eine politische Wirkung.“ Hierzu möchte ich anfügen, dass es durchaus üblich ist, mit einem Bespiel aus den Zeiten, in denen ein geistliches Buch entstanden ist, anzufangen, aber es wäre hilfreich, solche Beispiele ins Heute zu übertragen, was aber (scheinbar) hier nicht geschehen ist, abgesehen von dringlichen Aufrufen zur Armensteuer an die Moschee.

„Die Warnung vor dem Leben in Deutschland war ein roter Faden, der sich durch viele der Predigten zog.“

Seltsam ist es, dass allein die Erhebung von Zahlen über in Deutschland existierende Moscheen oder wie viele Muslime diese besuchen oder der Wunsch danach schon als Misstrauen gegenüber den Muslimen gewertet wird. Schließlich erheben wir sonst auch über alles eine Statistik.

Mein Fazit: Eine Reportage bzw. ein Erlebnisbericht über dieses Thema war überfällig.

Kategorie: Sachbuch
Verlag: Econ, 2017

 

Kommentare

Steve Kaminski kommentierte am 19. April 2017 um 09:24

Eine interessante Rezi. Bei dem Beispiel mit Kamelen und Kichererbsen musste ich an das denken, was ich vom Judentum gehört habe: Talmudische Diskussionen behandeln auch manchmal scheinbar weitab Liegendes, aber letztlich geht es um Ethik im Leben, also nicht um weitab Liegendes. - Wie das im Islam ist, weiß ich nicht, und ob der Autor mit "in einer anderen Welt halten" recht hat.

Arbutus kommentierte am 19. April 2017 um 14:01

Danke für die informative Rezi zu diesem interessanten Buch. Dass Markus Lanz alles andere ist als ein objektiver Fragesteller, ist bekannt. Wenn er erstmal sein Vorurteil hat, kriegt man bei dem kein Bein mehr auf den Boden. 

Dass in den Predigten ständig vor dem Leben in Deutschland gewarnt wird, ist natürlich nicht schön. Ansonsten aber ist ja der Inhalt der Predigten recht unspektakulär, vielleicht sogar etwas enttäuschend für den Autor - hatte er sich brisantere Inhalte erhofft? Nun, die gibt es mit Sicherheit in den Predigten etlicher Salafisten, und vielleicht schlagen auch diese gemäßigten Imame einen anderen Ton an, wenn sie sich unbeobachteter fühlen, wer weiß? Ich glaube, so ein fremder Deutscher zwischenden Betern fällt schon auf, auch wenn er fließend arabisch spricht. Dennoch: Solange nur über Besteuerung von Kamelen und Kichererbsen referiert wird, ist es tatsächlich Sache der muslimischen Gläubigen; wir leben in einem Land der Religionsfreiheit. Es gibt auch christliche Gruppierungen, die aufgrund einer biblischen Erzählung eine gewisse Distanz zu Volkszählungen bewahren.  

 

wandagreen kommentierte am 19. April 2017 um 17:46

Nein, hat er nicht Arbutili. Er hatte, wenn überhaupt, positive Vorurteile. Lies das Buch, dann kannst du was sagen.

Arbutus kommentierte am 19. April 2017 um 22:32

Du hast doch auch nicht alle Predigten zu Ende gelesen ; P

(Hoffe, Du musst Dich jetzt nicht auch noch gegen mich wehren - nicht dass wir zwei hier noch 'nen Zickenkrieg anzetteln, das wär doch mal was, Wanda)

sphere kommentierte am 19. April 2017 um 16:09

Danke für die Rezension; ich bin verwundert, wo musstest du dich wehren? War es in einer Leserunde?

Bezüglich der mangelnden Kenntnisse der deutschen Sprache von einigen Imamen: aus dem Bekanntenkreis bekomme ich mit, dass es auch bei christlichen Mitbürgern nicht unüblich ist; so geschehen bei serbisch- und griechisch- orthodoxen Christen: die Geistlichen leben dort in ihrer "Kommune", haben im Prinzip fast nur mit gleichsprachigen Bürgern Kontakt und kommen praktisch gar nicht dazu, mit Deutschen in Berührung zu kommen (bei einigen Bürgern ist es dann ähnlich, man kann durchaus von Ghettoisierung sprechen). 

wandagreen kommentierte am 19. April 2017 um 17:45

Wo denn? In Deutschland?

sphere kommentierte am 19. April 2017 um 20:22

Richtig, und ich spreche aus persönlichen (!) Erfahrungen. 

wandagreen kommentierte am 20. April 2017 um 00:13

Das ist auch sehr verwerflich.