Rezension

Leben mit der Hexe im Wohnzimmer

Hex - Thomas Olde Heuvelt

Hex
von Thomas Olde Heuvelt

Bewertet mit 4 Sternen

Letztes Jahr konnte mich Echo von Thomas Olde Heuvelt überzeugen, daher stand für mich fest, dass ich auch sein Debütwerk Hex lesen wollte, gesagt, getan.

Leben mit einer Hexe
Ein Punkt, der dieses Buch von anderen abhebt, ist definitiv die Idee. Black Spring in New York könnte ein so idyllischer Ort sein. Inmitten von der Natur des Hudson Valley umgeben wirkt es wie das Paradies für Austeiger und jene, die ihre Familie fernab von Hektik aufzehen wollen. Wäre da nicht Katherine. Katherine, die vor 200 Jahren in Black Sping als Hexe gehängt wurde und seitdem das Dorf heimsucht. Da ihre zerstörerischen Kräfte gebannt sind, wirkt die Hexe gruselig, aber harmlos und die Bewohner von Black Spring arrangieren sich mit ihr. Oberste Priorität: Niemand außerhalb von Black Spring darf von der Hexe erfahren. In Zeiten von Globalisierung, Smartphones und Internet stellt das die Hex Truppe, die für den Schutz der Stadt vor Katherine zuständig ist, vor einige Herausforderungen.
Wie lebt man also, wenn der Albtraum aus den Gruselgeschichten mitten unter einen wandelt? Diesen Aspekt fand ich sehr faszinierend und Heuvelt hat ihn auch sehr detailliert ausgearbeitet. Es ist schon manchmal absurd, was die Dorfbewohner sich so einfallen lassen, damit Touristen (auf die das Dorf wirtschaftlich angewiesen ist) und andere Fremde nichts von der dorfeigenen Hexe mitbekommen. Und am Anfang des Buches wirkt die ganze Situation auch gar nicht so schlimm. Doch dann nimmt die Handlung ihren Lauf. Stück für Stück enthüllt Heuvelt, wie sehr die Dorfbewohner ihr Leben an Katherines Anwesenheit anpassen mussten, wie eingeschränkt sie wirklich sind und was ganz lustig und harmlos begann, wird von Seite zu Seite bedrückender und verstörender.

In dem langsamen aber stetigen Stimmungswechsel im Buch zeigt sich eine von Heuvelts Stärken: das Heraufbeschwören einer dichten Atmosphäre. So wie Katherine Black Spring in ihren Bann hält, wird auch der/die Leser/in immer mehr in den Bann gezogen. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass man mit dem zugegeben, etwas eigenwilligen Erzählstil Heuvelts zurechtkommt. Da ich Echo bereits gelesen hatte, wusste ich schon, was mich erwartet, aber ich kann auch verstehen, dass dieser Erzählstil nicht jedem zusagt. Der Autor lässt sich Zeit, der Horror schwebt eher als Damoklesschwert über allem und biss er ausbricht, verwendet Heuvelt viel Zeit darauf das Portrait einer Gemeinschaft zu zeichnen, die nur an der Oberfläche funktioniert. Man muss Geduld bei diesem Buch mitbringen, allerdings kann ich zumindest sagen, dass die bereits erwähnte Atmosphäre mich so einnahm, dass mir nicht langweilig wurde.

Wer ist das Monster?
Ist der erste Teil des Buches noch eher ein Psychodrama, in dem die Gesellschaft Black Springs unter Katherines Einfluss dargestellt wird, geraten die Dinge mit Fortschreiten der Handlung zunehmend außer Kontrolle, bis hin zur völligen Eskalation am Ende. Diese erst langsam beginnende und dann rasant fortschreitende Steigerung gefiel mir gut, wenngleich das Ende, dass sich in seinem Tempo im Vergleich zum restlichen Buch schon beinahe überschlug, an einigen Stellen etwas konfus war. Hier hätten kurze Atempausen gut getan.
Dafür hat mir das Spiel mit der Frage, wer das wahre Monster ist, Mensch oder Hexe, sehr gut gefallen. Ich kann natürlich nicht viel verraten, aber soviel sei gesagt: in dem Buch treffen wir sowohl auf übernatürlichem Horror, als auch die ganz nüchternen Abgründe menschlichen Tuns. Was am Ende der größere Horror ist, ist eine der Fragen, die in einem nach dem Lesen noch eine Weile nachhallen.

Lediglich ein Punkt, hat mir an dem Buch weniger zugesagt und das ist eine seltsame Fixierung auf Frauenbrüste. Nicht nur, dass es in der Hinsicht zu einigen grotesken Situationen und eine mehr als bizzare Wahnvorstellung im Finale kommt, auch sprachlich stellt der Autor an den seltsamsten Stellen Metaphern und Vergleiche mit Brüsten her. Das wirke oft, um es modern zu sagen: einfach nur cringe.

Fazit:
Thomas Olde Heuvelts eigenwilliger Erzählstil polarisiert. Entweder man kommt überhaupt nicht damit klar, oder man wird, so wie ich, von der dichten Atmosphäre und der schrittweisen Steigerung des Horrors in den Bann gezogen. Hex überzeugt mit einer genialen Idee und dem detaillierten Porträt einer Dorfgemeinschaft, wo nicht klar ist, wer hier das eigentliche Monster ist.