Rezension

Leider realitätsnah. Ein Thriller mit dem gewissen uuuaaahhh

Die meisten Likes - Katharina Lindner

Die meisten Likes
von Katharina Lindner

Bewertet mit 4.5 Sternen

Im Grunde werden im Thriller von Katharina Lindner „Die meisten Likes“ alte Themen aufgearbeitet. Aber: es sind nun mal auch die Themen, die die Menschheit, ob mit oder ohne den neuesten Technikspielzeugen, auf ewig begleiten. Es handelt sich dabei um Gruppendynamiken, Vorurteile, Ängste Einzelner oder in Teams. Und vor allem geht es um Macht und Manipulation. Um das Ausnutzen von vermeintlichen Schwächen. Die Autorin kennt sich dabei bestens aus, wenn man einmal auf ihre Internetseite https://lindner-katharina.de/ schaut. Sie schiebt meines Erachtens in zum Teil längeren Monologen ihren Protagonisten auch ihre moralische Meinung unter, was aber von mir nicht negativ aufgefasst wurde. Ganz im Gegenteil: wenn nicht immer wieder Einzelne aufstehen, um zu zeigen, was schief läuft, kann so einiges ganz schön den Bach runtergehen.
 

Um was es geht? Steht bereits im Klappentext. Mehrere Personen, darunter Singles genauso wie Paare, alle mit psychischen Problemen, unterschreiben einen Vertrag. Darin verpflichten sie sich, an einer Studie teilzunehmen. Ihnen beiseite gestellt wird unter anderem eine Person, die mit ihnen Gruppen- und Einzeltherapiestunden sowie gemeinsame Stunden, wie Abendessen oder Spielezeiten verbringen soll. Abgelegen von der Außenwelt steht das Haus, das sie aber verlassen können, um sich im nahegelegenen Ort mit benötigten Dingen einzudecken. Der Haken an der Sache ist, sollten sie die Therapie vor dem Ende abbrechen, müssen sie diese selbst bezahlen. Doch ist diese für die meisten die allerletzte Chance, um das Ruder herumzureißen. Und Geld haben die wenigsten von ihnen.
 

Was sie nicht wissen ist, dass sie Manipulationsmaterial in einem Computerspiel sind, dass in allen Räumlichkeiten Kameras hängen, dass ihr Therapeut ebenfalls abhängig ist von der Person, die alle wie Marionetten tanzen lässt. Auch die, die am Computer sitzen und ihre Likes abgeben sollen für das, was in der Klinik passieren soll. Denn im Grunde sind sie es, auf die es der geheimnisvolle Unbekannte abgesehen hat. Was wollen die da draußen mit denen da drinnen anstellen lassen? Das volle Programm? Bis zum äußersten Gehen? Eine Psychologiestudentin ist fast schon so weit, die Polizei einzuschalten, um dem Spuk ein Ende zu bereiten. Dabei ist sie mitnichten die Einzige, die so denkt, daher ist das Ganze im Darkroom hervorragend abgesichert, doch das weiß sie nicht.
 

Die Autorin lässt sie nun mit anderen chatten und diese findet tatsächlich jemand, der die haarsträubende Geschichte ebenfalls zu grausam findet. Sie will diese Menschen retten. Doch begibt sie sich nicht genauso in eine perfide Falle oder kann sie wirklich etwas bewirken? Im Netz finden sich immer mehr Gleichgesinnte, die per Like darüber abstimmen, was mit den Insassen zu passieren hat beziehungsweise, wie deren Verhalten manipuliert werden soll. Als Krönung des Ganzen soll ein Gewinnspiel, das natürlich nicht umsonst ist, die Meute bis zum Äußersten pushen.

 

Wie das aussehen kann und ob die Menschen in dem abgelegen Haus gerettet werden können, das lest selber. Und ich kann nur nochmals betonen, hier sind beileibe keine jungfräulichen Themen originell aufgemischt mit spannendem Flair und kreativen Persönlichkeiten. Hier spielen die Namen und Gründe für die Therapien für mich keine Rolle. Das Alter und die gesellschaftlichen Schichten der Insassen ist genauso bunt gemischt, wie die Agierenden draußen am Computer. Und es zeigt sich, dass die Themen, so alt sie sein mögen, niemals abschließend geklärt werden können.

Gut zu lesen, beängstigend aktuell. Wer mehr über die Autorin, deren Werdegang und Bücher erfahren will, der schaue in oben genannte Internetseite nach.