Rezension

Leider überhaupt nicht das, was ich mir erhofft habe ...

Die Welt im Rücken - Thomas Melle

Die Welt im Rücken
von Thomas Melle

Gern hätte ich diese Rezension bereits vor der Verleihung des diesjährigen Deutschen Buchpreises veröffentlich, nur leider habe ich keine Zeit gefunden. Jetzt, einen Tag nach der Verleihung, meine Rezension, die ...... na, lest selbst.
Der Autor Thomas Melle erkrankt Ende der 90er Jahre an einer Manischen Depressionen. Eine Erkrankung, die alles aus den Angeln hebt. Eine Erkrankung von der man am Rande vielleicht schon einmal gehört hat, sich aber nicht weiter damit beschäftigen möchte, sind psychische Erkrankungen doch noch immer ein Tabuthema. Wenn es sich dann noch um eine Bipolare Störung dreht, dann lässt man erst recht die Finger davon; zu verrückt die Menschen, die mit so einer Diagnose gestraft sind.
Thomas Melle erzählt also in seinem Roman von seiner Erkrankung und will, so vermute ich zumindest, reinen Tisch machen. Endlich die Gesellschaft aufklären, was es mit dieser Erkrankung auf sich hat. Ja, der Leser soll all die Höhen und Tiefen erleben, denen er immer wieder ausgesetzt ist. Endlich jemand, der sagt, was es mit dieser Erkrankung auf sich hat. Jemand, der keine Scheu hat, sich zu outen. Jemand, dem es egal ist, was der Rest der Welt nach der Veröffentlichung des Buches noch von ihm hält - soweit schon der Inhalt.
Für mich ist dieses Buch leider eine absolute Enttäuschung. Selbst unter den schlimmsten Depressionen leidend, wenn auch mit Medikamenten mittlerweile nach vielen Jahren des Leidens den Tiefen entkommen, erlese ich aus dem Roman keinen wirklichen Leidensdruck. Gut, Manische Depressionen sind keine reinen Depressionen, aber dennoch stellen die tiefen Depressionen das gleiche Krankheitsbild dar. Von einem Buch, das aufklären will, habe ich etwas anderes erwartet und vor allem auch einen anderen Ausdruck und eine vollig andere Schreibweise. 
Kurze, prägnante Sätze hätten die Manie viel besser zur Geltung bringen können. Schnelligkeit ist hier gefragt. Alles rauscht vorbei. Nichts bleibt, alles ist schon wieder vorüber, was für nicht einmal eine Sekunde eben noch da war. Anstatt dessen ellenlange Sätze, die nicht mehr enden wollen und so dahinplätschern und beinahe einschläfernd sind, Tristesse aller Orten.
Und was bitte ist an dieser Erkrankung humorvoll. Okay, man kann es rückblickend mit Humor nehmen, aber was will Melle bitte mit humorvollen Umschreibungen bezwecken?
Zu keinem Zeitpunkt kann ich verstehen, was Melle mit diesem Roman wirklich aussagen will. Will er mit zwei Selbstmordversuchen die Dramatik der Depression wiedergeben oder was ist seine Intention? 
Zumindest ist er nicht der große Aufklärer, für den er sich hält. Meines Erachtens ein Buch, das nichtssagend ist, ein Buch, das hätte nie geschrieben werden müssen, da es zumindest, was die Depression angeht, nur verhamlost und eine Manie in keinsterweise wiedergibt.
Natürlich gibt es Unterschiede, jeder verspürt einen anderen Leidensdruck, jeder empfindet anders. Dennoch, wer wirklich etwas über die Erkrankung erfahren will, der darf nicht zu dieser Lektüre greifen, es sei denn, der Leser hat nicht andeutungsweise eine Ahnung, was diese Thematik angeht. Um langsam an diese Materie herangeführt zu werden, kann man diesen Roman vielleicht lesen, aber es gibt nicht das wieder, was diese Erkrankung ausmacht.
Eine Manische Depression hat nichts humorvolles, wer so empfindet, der leidet meines Erachtens an etwas anderem, aber nicht an einer bipolaren Störung.
Abschließend: Ich bin froh, dass Thomas Melle den Deutschen Buchpreis nicht gewonnen hat. Ich frage mich auch wirklich, welche Kriterien angesetzt werden, damit man eben auf diese Longlist, bzw. im weiteren Verlauf auf die Shortlist kommt. Ich bitte da die Verantwortlichen, mir diese Frage zu beantworten.
 

Kommentare

katzenminze kommentierte am 18. Oktober 2016 um 21:33

Danke für die klaren Worte. Ich bin bei diesem Buch zwar nicht so im Thema wie du aber Melle war auch 2014 schon mit einen Buch auf der Shortlist, das es m. E. nicht verdient hatte. Ich dachte mit einem persönlichen und autobiografischen Werk würde er es sicher besser machen. Das scheint leider nicht der Fall zu sein. Auch wenn das Thema sehr interessant ist. Hättest du denn einen lesenswerten Vorschlag wenn man etwas über Depression oder Bipolare Störung wissen möchte?