Rezension

Lektion für Eltern

Ein Schweinebär im Schlafanzug - Andreas Langer, Katalin Eva Pop

Ein Schweinebär im Schlafanzug
von Andreas Langer Katalin Eva Pop

Bewertet mit 4 Sternen

„Schweinebär“ nennen seine Eltern den kleinen Sascha – und sind verständlicherweise ungehalten darüber, dass es ihm einfach nicht gelingen will, manierlich zu essen. Schließlich ist er beinahe sieben Jahre alt, und da kann man doch wohl erwarten, dass er nicht bei jeder Mahlzeit sowohl seinen Platz bekleckert, sondern auch sich selbst, oder? Das denken die Eltern und das denkt auch Jule, Saschas große Schwester, die es allerdings ein wenig ungerecht findet, dass Sascha wegen seiner unorthodoxen Essmanieren immer so angepflaumt wird. Überhaupt sieht sie die Schweinereien, die ihr Bruder da anrichtet, viel milder, denn sie mag ihn, findet ihn lustig und liebenswürdig. Aber wie denkt Sascha über die ewigen Ermahnungen seiner Eltern? Was macht das mit ihm, wenn er immerzu spüren muss, dass er, so wie er ist, nicht akzeptiert wird?

Nun, eines schönen Sonntags bekommt Jule ihre Antwort, denn als Papa des Morgens einem seltsamen Geräusch nachgeht, das aus dem Zimmer seines Sohnes kommt, findet er an dessen Stelle – einen Schweinebär! Ein klassischer Fall von Self- fulfilling Prophecy, möchte man sofort denken. Sascha wurde folgerichtig zu dem, was er in den Augen seiner Eltern sowieso war – eine seltsame Mischung aus Bär und Schwein, im blau-weiß gestreiften Schlafanzug! Die Eltern sind fassungslos und machen sich Vorwürfe wegen der Verwandlung des Kleinen, während Jule, aus deren Blickwinkel die Geschichte im Übrigen auch erzählt wird, eher amüsiert ist, dabei aber sehr mitfühlend, und schnell die Zügel übernimmt und versucht, den veränderten Bedürfnissen des verwandelten Bruders gerecht zu werden. Sie denkt praktisch, denn bei der Menge, die der sehr hungrige Schweinebär-Sascha vertilgt und den Geräuschen, die danach zu hören sind, muss er ganz sicher bald mal einem dringenden Bedürfnis nachgehen....

Ja, aber wie ist es anzustellen, dass dies nicht an Ort und Stelle, also in der elterlichen Wohnung geschieht? Sie beschließt, was zuerst mal naheliegend erscheint, mit dem Bruder nach draußen zu gehen, was aber wohl doch keine so gute Idee ist, denn man soll ihn schließlich keinesfalls sehen. Wenn Hausmeister Hartenstein von seiner Anwesenheit Wind bekäme – und das auch im wahrsten Sinn des Wortes, denn Sascha beginnt sehr unfein riechende Duftwolken auszustoßen -, gibt es Ärger! Aber der missmutige Mann erfährt es natürlich doch, denkt, Jules Familie würde einen Hund verborgen halten, was er im Mietshaus strengstens untersagt hat und macht gehörig Stress....

So beginnt ein erheiterndes Versteckspiel, in dessen Verlauf Saschas Eltern lernen und endlich auch begreifen, dass die Schweinereien ihres Knaben am Esstisch ein Klacks sind im Vergleich zu dem, was der Schweinebär in ihrer Wohnung anrichtet – und was sie mit erstaunlicher Gelassenheit, und endlich einmal voll hinter ihrem Sohn stehend, der im Moment ein grunzendes Phantasietier mit stürmischer Verdauung ist, hinnehmen. Und als Sascha, der Schweinebär, zu guter letzt auch noch ausbüxt und von der tatkräftigen Jule in einer Baugrube gefunden wird, wo er sich nach Herzenslust im Dreck suhlt, sind die Eltern so froh, ihn wiederzuhaben, dass die verwüstete und zum Himmel stinkende Wohnung überhaupt nicht mehr ins Gewicht fällt!

Ja, Vater und Mutter haben ihre Lektion gelernt, sind nach all der Aufregung nun sogar bereit, den verwandelten Sohn nicht mehr länger zu verstecken sondern sich ganz offen und vor aller Welt zu ihm zu bekennen! Und genau das hat denn auch der Schweinebär gebraucht, um wieder zu Sascha werden zu können – der von nun an so unsauber essen darf, wie er möchte oder wie er es nicht anders kann. Schweinebär übrigens nennen ihn seine Eltern niemals wieder....

Wie wichtig es ist, so angenommen zu werden, wie man nun einmal ist, vor allem, wenn man noch ein Kind ist und gar nicht verstehen kann, warum die Erwachsenen an einem herummäkeln, weil man eben so ist, wie man ist und es auch beim besten Willen nicht ändern kann, scheint mir die Botschaft dieses erheiternden, gleichzeitig aber auch nachdenklich stimmenden Buches des Autors Andreas Langer zu sein. Und diese Botschaft kommt an, weil sie so nett in eine parabelhafte Geschichte verpackt wurde, die zwar mit einer Reihe von Verwicklungen aufwartet und in der ein gehöriges Durcheinander herrscht – vom „Schweinebären“ verursacht! -, die aber sehr verständlich und anschaulich geschrieben wurde. Gerade weil der Autor sie von einem zehnjährigen Mädchen erzählen lässt, dessen Sprache sehr authentisch wirkt! Sie sieht ihren Bruder und die Schwierigkeiten, die die Erwachsenen, sprich die Eltern, mit ihm haben, mit anderen Augen, viel entspannter nämlich, akzeptiert Saschas Eigenarten ganz selbstverständlich, so wie Kinder das nun einmal tun, bevor sie ( zum Glück nicht alle! ) von der Gesellschaft und ihren Normvorstellungen verbogen werden. Wollte Herr Langer das vermitteln, so ist es ihm gut gelungen – und es bleibt zu hoffen, dass das Buch auch von recht vielen Erwachsenen gelesen wird, gemeinsam mit ihren Kindern oder als Vorlesende.

Die gleichen Erwachsenen aber mögen ein wenig Anstoß nehmen an der Ausführlichkeit, mit der vor allem die Verdauung des Schweinebären und deren Endresultat thematisiert werden. Das war mir denn doch ein wenig zu viel des Guten und es verlor mit jeder Wiederholung an Lustigkeit. Das aber ist der Blick des Erwachsenen denn Kinder empfinden das ganz anders wie ich erleben durfte – und amüsieren sich köstlich! Und für Kinder ist der Roman schließlich geschrieben – so wie auch die Illustrationen auf Kinder wirken sollen und nicht auf kritische Erwachsene, denen sie eher zu unproportioniert, zu steif und einförmig erscheinen mögen. Also lassen wir hier die Kinder sprechen oder diejenigen unter uns Erwachsenen, die im Herzen Kind geblieben sind, ganz so wie Erich Kästner, der Meister der Kinderliteratur und geistiger Vater unvergesslicher Klassiker dieses Genres sich das von den erwachsenen Lesern seiner Kinderbücher wünschte – und der selber zeitlebens Kind geblieben war!