Rezension

mehr lesenswerter Gesellschaftsroman als Krimi

Caffè in Triest -

Caffè in Triest
von Günter Neuwirth

Bewertet mit 4 Sternen

Inspector Bruno Zabini hat einen neuen Fall. Eine Leiche wird aus dem Meer gezogen. Das Opfer ist Anhänger der Irredentisten. Die Spur führt in die Triester slowenische Gemeinschaft. Das macht den Fall heikel, da es zu bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen zwischen den Bevölkerungsgruppen kommen könnte.

Ausgerechnet in dieser Situation ist Zabini durch private Komplikationen abgelenkt. Jemand hat sein Verhältnis zu schönen, verheirateten Fedora verraten. Das könnte das Ende seiner Polizeikarriere bedeuten.

Wie schon bei Brunos 1. Fall tauche ich tief in die sozialen Verhältnisse Triests ein. Bereits 1907 waren starke nationale Kräfte am Werk, die eine Abspaltung von Österreich anstrebten. Spannend fand ich, wie sich die Nationalität auf den beruflichen Erfolg auswirkt. Gleichzeitig lerne ich den Kaffeehandel kennen, der  in Triest zur damaligen Zeit eine wichtige Rolle spielt. Diese gesellschaftlichen Umstände sind Dreh-und Angelpunkt für den aktuellen Fall. Politischer Hintergrund oder persönliches Tatmotiv ? 

Gleichzeitig muss sich Bruno mit den Folgen seines lockeren Liebeslebens auseinandersetzen. Zwar war Ehebruch genau so gang und gäbe wie heute, nur waren die Konsequenzen für die Beteiligten, wenn es denn rauskam, Existenz bedrohend.

Was mir gut gefallen hat, war die Erzählweise. Der Autor lässt auch die Täterseite zu Wort kommen. Ich wusste immer mehr als die Polizei, was eine besondere, wenn auch andere als übliche Spannung erzeugt hat. Nicht die Tat an sich steht im Mittelpunkt, sondern die gesellschaftlichen Umstände und die Persönlichkeit des Täters, der mir übrigens von Herzen unsympathisch war. Bruno dagegen hat weitere Sympathien gewonnen, weil er Verantwortung übernimmt und für die Folgen seines Verhaltens einsteht.

Insgesamt war der Krimi für mich fesselnd und lesenswert, auch wenn er die üblichen Bahnen verlässt. Dafür habe ich in meinen Augen erhellende Einblicke in die Triester Gesellschaft bekommen.