Rezension

Missstände im Altersheim - Siiri, 94, wird hellhörig

Rotwein für drei alte Damen oder Warum starb der junge Koch? - Minna Lindgren

Rotwein für drei alte Damen oder Warum starb der junge Koch?
von Minna Lindgren

Bewertet mit 3.5 Sternen

Kennt ihr das: ihr solltet dringend etwas erledigen, aber ihr drückt euch davor? Macht lauter andere unwichtige Sachen, nur um nicht an dem zu arbeiten, das gerade dran wär?

So ging es mir mit den beiden Rezensionen zu Minna Lindgrens "Drei-alte-Damen"-Serie. Die Covers und Inhaltsangaben haben mich neugierig gemacht und ich erwartete, dass die drei alte Damen im Miss Marple-Stil ermitteln. 
Doch was ich da las, hat nichts viel mit einem Krimi zu tun. Vielmehr handelt die Serie vom Leben in einem finnischen Altersheim namens Abendhain. 

Protagonistin ist Siiri, die am liebsten mit dem Tram quer durch Helsinki fährt, um dem langweiligen Alltag im Altersheim zu entkommen.
Siiri ist befreundet mit Irma, die auch im Alter nicht auf ihren Schmuck verzichtet und der Deutschlehrerin Anna Liisa. Oft verbringen die drei Seniorinnen ihre Zeit jassend im Aufenthaltsraum, zusammen mit Onni, kurz "Botschafter" genannt und anderen Bewohnern. 

Zusammen besuchen sie auch immer wieder Beerdigungen - meistens solche anderer Bewohner des Altersheims, doch am Anfang dieses Romans jene des Koches Tero. Sein Tod und die gleichzeitige Entlassung eines Angestellten sorgt kurz für eine brodelnde Gerüchteküche im Abenhain. Kurz darauf haben die einen die Geschichte bereits wieder vergessen oder werden, wie unsere drei Damen, von diversen Geschehnissen gestört. Ein reklamierender Bewohner wird auf die Demenzstation verlegt und auch Irma wird plötzlich mit Medikamenten ruhig gestellt. Den Gründen dafür will Siiri auf die Spur kommen, zusammen mit Taxifahrer Mika.
Wer Mika wirklich ist, bleibt bis zum Ende unklar. Die Auflösung all der Zwischenfälle wird zwar aufgedeckt, doch passiert dies nicht wie erwartet mit einem finalen Paukenschlag, sondern eher nebenbei und total unaufgeregt. 

Der Abschluss kommt nach all den eintönigen Alltagsbeschreibungen sehr speziell rüber und lässt mich unbefriedigt zurück. Wäre ich nicht zur Lesung der Autorin eingeladen, ich hätte den ersten Band nicht zu Ende gelesen. Es braucht viel Geduld und Ausdauer für diese Lektüre! 

Aber trotz aller Langatmigkeit faszinierte mich die Thematik dennoch. Man muss sich als Leser eingewöhnen und lebt dann praktisch mit den Protagonisten mit, alles geht mit 94 Jahren halt langsamer als wenn man erst 30 oder 50 Jahre "jung" ist. Vieles wirkt auf den Leser verwirrend, da einiges unbeantwortet stehen bleibt - halt genauso wie die betagten Damen sich auf einmal einem anderen Thema zuwenden und das vorherige total vergessen. 

Das Buch macht sehr nachdenklich und erschreckt auch, wenn man von den Auswirkungen liest, die der Umgang mit den Senioren vom Pflegepersonal mit sich bringt. Kostensparen in der Altersarbeit und zu wenig Zeit für die Pflege ist anscheinend weltweit ein Thema; und Ruhigstellung durch Medikamente leider nur zu wahr, wie auch aktuell immer wieder in den Medien berichtet wird.
Fazit: Ein langatmiger, aber dennoch interessanter, humorvoller und ironischer Roman im Altersheim-Milieu. 
3.5 Punkte.