Rezension

Mit dem kleinen Buch kann man nichts verkehrt machen

Mit uns wäre es anders gewesen -

Mit uns wäre es anders gewesen
von Eliette Abécassis

Bewertet mit 4 Sternen

Eine schöne Lektüre für EINEN Abend

Ich habe mir das Buch gekauft, weil ich zuvor 'Eine unwahrscheinliche Begegnung' von derselben Autorin las und mich ihr Stil anspricht.

Es ist ein wunderschönes, 'kleines' Buch, das den Leser in seinen Bann zieht und das man an einem Abend in einem Rutsch ausliest. Es ist auch eine Reminiszenz an 'unsere Jugend', die der 80iger Jahre, die scheinbar in Frankreich und Deutschland parallel lief und eine ganze Menge Zeitkolorit enthält. Angefangen beim Joggen mit dem Walkman im Park über das '(…) alte graue Telefon mit dem Hörer und der Wählscheibe, die ratterte, wenn man die Nummern wählten' (27) und

Es war die Zeit von Woman in Love von Barbra Streisand, Still loving you von den Scorpions und On va s'aimer von Gilbert Montagné. Die ersten Kopfhörer, Aufnahmen von Radio auf Kassette, Videos und Rollschuhe. Fame, Flashdance, Dirty Dancing...Drei Engel für Charlie, Starsky and Hutch oder Magnum waren jeden Sonntag das Ereignis, genau wie Anne Sinclair, in die alle verliebt waren. Es war die Zeit der Feten und Konzerte, als La Boum im Fernsehen lief und der Skandalstreifen Neuneinhalb Wochen für erotischen Nervenkitzel sorgte(29).

Solche Zeilen sind ansprechend zu lesen, wenn man als Babyboomer eine analoge Jugend erlebt hat und sich an jedes Detail erinnert. Die Autorin wurde 1969 in Straßburg geboren, die Protagonistin des Romans, Amélie 1988. Es ist die Liebesgeschichte von Amélie und Vincent, durch dreißig Jahre hindurch. Als sie sich das erste Mal begegnen, sind sie 20, beim letzten Mal in den 50igern. Eine Zufallsbekanntschaft. 'Amélie, fast noch ein Kind, gerade erst Frau'(8). Die gegenseitige Faszination ist groß. Sie reden unentwegt, erzählen einander ihr Leben, ihre Wünsche...ihre Träume...ihre Geheimnisse.Es geht um verpasste Gelegenheiten, Zufall und Schicksal, Lieben und Entlieben, Glück und Unglück, Treue und Betrug, Fehler, die man im Leben macht ('Die Hälfte der Fehler, die wir im Leben begehen, sind überstürztem Handeln geschuldet, die andere Hälfte fehlendem Tatendrang' 38), fehlenden Mut, Entscheidungen. Amélie und Vincent heiraten jeweils andere Partner, haben wechselnde Beziehungen, werden Eltern. Amélie übernimmt eine Buchhandlung, Vincent verabschiedet sich zeitweise von seinen Träumen, der Musik und dem politischen Engagement, um sich der Finanz- und Geschäftswelt zu widmen. Amélie ist für Vincent 'eine Konstante inmitten der Variablen seines Lebens'(58).

Mit diesem Buch kann man nichts verkehrt machen. Was mir gefällt, ist der Sprachstil Abécassis, anspruchsvoll und sehr metaphorisch, geschliffen, ihr Blick auf das Leben, die Fragestellungen (sie hat Philosophie studiert) und die Geschichte an sich, v.a. ihre Allgemeingültigkeit, Amélie und Vincent könnten genauso gut DU und ICH sein.