Rezension

Mutter und Tochter als Revoluzzer

Guten Morgen, Revolution - du bist zu früh! - Kirsten Ellerbrake

Guten Morgen, Revolution - du bist zu früh!
von Kirsten Ellerbrake

Bewertet mit 3.5 Sternen

Die 20jährige Charlie wird bei einer Castor-Blockade in Polizeigewahrsam genommen. Sie wird wegen Landfriedensbruch angeklagt. Ihre Mutter, die Protagonistin Nora, macht sich verrückt vor Sorge. Dabei hat sie, jetzt erfolgreich in der Fernsehbranche, in ihrer wilden Studentenzeit in den 80er Jahren selbst gegen Atomkraft gekämpft. Nora aktiviert ihre alten Mitstreiter, um Charlie Beistand zu leisten. Ob und wie das geschieht, sollte jeder selbst lesen.

Es findet ein stetiger Wechsel zwischen der Schilderung der aktuellen Ereignisse rund um Charlies Prozess und Rückblenden auf Noras Vergangenheit statt, äußerlich erkennbar am Wechsel der Erzählform (Ich-Perspektive bzw. auktorialer Erzähler aus Noras Sicht). Was auf den ersten Blick etwas verwirrend wirkt, zumal die vergangenen Ereignisse nicht chronologisch erzählt werden, macht durchaus Sinn: Nora war nämlich früher viel radikaler und engagierter als ihre Tochter heute. Durch die Erzählform kommt das gut zum Ausdruck.

Noras Rückschauen auf die Zeit der 80er Jahre kommen schon fast einer Vergangenheitsbewältigung und einer knallharten Selbstabrechnung gleich. Hat Nora ihre alten Ideale verraten? Es wird ein informatives Bild der Atombewegung, des WG-Lebens in Land-Kommunen, von Hausbesetzungen u.ä. gezeichnet. Amüsant zu lesen sind Noras Ausschweifungen wie Hippie-Treffen und LSD-Trips. Es ergibt sich, dass die Themen von damals den heutigen Themen ähneln. War in den 80er Jahren Tschernobyl aktuell, so ist es heute die Fukushima-Katastrophe, die auch in diesem Roman in den Focus rückt. Neben Politik spielt die Liebe eine wichtige Rolle in der Geschichte. Nora hatte in ihrer bewegten Zeit diverse Liebschaften. Und auch jetzt ist ihr Liebesleben noch nicht zur Ruhe gekommen, wofür ein Drehbuchautorenkollege und ihr Ex-Mann, zugleich Vater von Charlie, sorgen.

 

Das Ganze wird unterhaltsam, lebendig, witzig, selbstironisch erzählt. Die Tagesaktualität und die Rückblenden machen das Buch interessant für jugendliche Leser und zugleich für die Generation der in den 50er/60er Jahren Geborenen, die so manches Déjà-vu-Erlebnis haben werden. Es fällt auf, dass sich der Lebenslauf der Autorin in Vielem mit dem von Nora deckt; vielleicht hat sie ihre Autobiografie in dem Buch verarbeitet.

Ein gelungener Debütroman!

Kommentare

Carina2302 kommentierte am 25. Oktober 2013 um 15:26

Vielen Dank für diese schöne Rezension. Das Buch ist soeben weit oben auf meiner Wunschliste gelandet.