Rezension

Nahrung für den Geist, nicht nur für den Körper

Worte und Wunder -

Worte und Wunder
von Ann-Sophie Kaiser

Bewertet mit 5 Sternen

Berlin-Schöneberg 1948: Ruth hat nach dem 2. Weltkrieg den Buchladen ihres Vaters wiedereröffnet, zwar nicht im alten Gebäude, denn dieses ist im Krieg ausgebrannt, aber an anderer Stelle in kleinerem Format. Da ihr Vater und ihr Bruder Friedrich im Krieg geblieben sind, ist nun sie die einzige, die weiter am Buchladen der Familie Klinger festhält. Aber die Zeiten sind schwer und ihre Schwägerin Rosa ist ihr keine große Hilfe, wenn sie auch großes Geschick im Umgang mit Menschen beweist. Rosa sieht das etwas anders, denn sie ist gerne im Laden, allerdings gibt ihr Ruth immer das Gefühl, dort nicht gern gesehen zu sein, aber zuhause fühlt sie sich einsam, vorallem weil ihre Schwiegermutter Elisabeth nur zu den Mahlzeiten ihr Zimmer verlässt und kaum spricht. Eines Tages taucht die 18-jährige Lore an der Haustür der Familie auf und niemand weiß, wie sie auf deren Frage nach einer Anstellung in der Buchhandlung reagieren sollen, laufen die Geschäfte doch nicht so besonders gut. Niemand ahnt jedoch etwas von Lores Geheimnis, die eigentlich auf der Suche nach ihrem Vater Friedrich Klinger senior ist, der laut einem Brief ihrer Mutter ihr Vater sein soll. Die Liebe zur Literatur macht sie der Familie aber sympathischer und dank Rosa bekommt sie doch noch eine Chance.

Ann-Sophie Kaiser schreibt sehr flüssig, aber auch tiefgründig. Die Handlung wirkt niemals konstruiert und könnte sich genauso in der Vergangenheit abgespielt haben. Die drei Protagonistinnen sind grundverschieden und ergänzen sich gerade deshalb perfekt. Da die Handlung aus verschiedenen Perspektiven geschildert wird, bleibt es immer interessant und wird niemals zu eindimensional.

Mich konnte der Roman sofort fesseln und ich habe nun meinen Tag im Berlin der 1950er Jahre verbracht. Es gefällt mir, dass die Herangehensweise an die Nachkriegszeit eine andere ist, denn hier stehen die Bücher immer im Vordergrund, der Hunger und die allgemeine Not finden zwar Einzug in die Geschichte, aber niemals zu vordergründig. Auch die drei Frauen sind mir sehr sympathisch, haben sie doch alle eine schwere Zeit hinter sich und wollen nun das Beste aus ihrer Zukunft machen.