Rezension

Nette Unterhaltung

Als wir uns die Welt versprachen -

Als wir uns die Welt versprachen
von Romina Casagrande

Bewertet mit 3.5 Sternen

Roadmovie und Märchen in einem

'Als wir uns die Welt versprachen, war ein Zufallsfund, falls es so etwas gibt. Sozusagen a book to go, eine zufällige Mitnahme in einem Bücherladen als Taschenbuch, halber Preis. Mich reizte der Titel, als Italophile die italienische Autorin und die Geschichte: Die Reise zu sich selbst, Vergangenheit, Aufarbeitung, mit anderen Augen sehen, einen Kreis schließen. 'Voranschreiten bedeutet zurückkehren' (Laotse). Der deutsche Titel erscheint mir noch ansprechender als der italienische Originaltitel 'I bambini di Svevia' [Die Kinder des Schwabenlandes], bereits im Titel, die Anspielung auf die Aufarbeitung einer italienisch-deutschen Geschichte, von Dingen, die sich tatsächlich zugetragen haben. Kinder, die in der Armut lebend im Frühling über die Alpen wanderten, um auf Bauernhöfen hart zu arbeiten, Kinder zwischen 5 und 15 Jahren.
Die Protagonistin Edna, eine Dame in den 90igern, lebt allein mit ihrem Papagei Emil. Als ihre Nachbars-Freundin Adele und deren Ehemann Max für sich planen, näher an die Stadt zu ziehen, lassen sie Edna auf die Warteliste eines Seniorenheimes setzen, um sie versorgt zu wissen. In einer Ausgabe des Stern entdeckt Edna einen Bericht und ein Foto ihres Jugendfreundes Jacob Kneip, den sie als Kind aus den Augen verlor und den sie vor fast 80 Jahren, 1938/1939, bei der Arbeit auf einem Hof kennenlernte. Edna und Emil machen sich zu Fuß auf den Weg über die Alpen von Castelbello in Italien bis nach Ravensburg, wo Jacob in einem Krankenhaus liegen soll. Während der Reise kommen Erinnerungen, wann sie wollen, und Edna hat eine Geschichte zu erzählen, die 8 Jahrzehnte zurückliegt.Trotz aller Widrigkeiten (Unwetter, Einsamkeit, die Mühsal des Berge-erklimmens in höchstem Alter) will Edna es auf jeden Fall schaffen, ihren eigenen Weg von damals zurückzugehen, um zum Anfang zurückkehren und den Faden neu aufrollen zu können.
Der Roman ist eine Art Mischung aus Roadmovie (eine 90jährige, die als Sozius auf einem Motorrad durch die Prärie tourt) und Märchen. Schon Kapitelüberschriften erinnern daran ('Das Mädchen mit den Goldknöpfen', 454, als Anspielung auf das 'Mädchen mit den Zündhölzern'), Zauberfedern und eine Schamanin, auch Casagrande selbst spricht von einem Märchen 'Aber das war vielleicht nur ein anderes Märchen'(466). Es kommt während der Lektüre durchaus ein wenig Spannung auf oder zumindest Neugier, wie die Geschichte nun weitergeht bzw. wo ihre Wurzeln liegen. Ab und zu begegnet der Leserschaft die eine oder andere nette Metapher: 'Angst ist auch der heiße Atem der Sonne, die unsere Flügel verbrennt und unseren Flug jäh beendet' (448).
Ein großes Kompliment an die Übersetzerinnen Katharina Schmidt und Barbara Neeb, eine Bravourleistung. Als Dolmetscherin und Übersetzerin weiß ich, wie schwer es ist, ein Werk nicht nur inhaltlich, sondern auch sprachlich zu übertragen, gerade wenn es sich bisweilen um Poesie, Metaphorik handelt. Gut gefallen hat mir auch das Interview am Ende mit der Autorin.
 Zwei Sterne möchte ich abziehen, da mit eine Kapitelübersicht am Anfang oder Ende des Romans gefehlt hat, denn 54 Kapitel und ihre Titel ergeben auch wieder eine Geschichte und v.a. weil mir der Roman streckenweise zu sehr konstruiert ist (das sind Romane immer, in der Regel, aber mir war er zu irreal und zu märchenhaft), z.B. bei all den Begegnungen, die Edna unterwegs hat, helfen ihr wirklich alle Menschen, alle, alle, ohne eine Ausnahme. Ich will nicht spoilern, aber auch für das Treffen auf Jacob hätte ich mir einen klein wenig anderen Ausgang gewünscht.
Dieser Roman ist amüsant, kein Klamauk, er ist nette Unterhaltung. Er enthält keine Weisheiten, die uns allen nicht schon bekannt oder bewusst wären, aber es ist schön, ihn zu lesen. Das Prädikat 'internationaler Bestseller' halte ich allerdings für übertrieben.