Rezension

Eine wundersame Reise

Als wir uns die Welt versprachen -

Als wir uns die Welt versprachen
von Romina Casagrande

Bewertet mit 3 Sternen

Edna ist eine schon recht betagte Dame, die mit ihrem Papagei Emil in einem Haus in Castelbello in Norditalien lebt. In Kürze soll sie jedoch in eine Seniorenresidenz ziehen, denn auch Adele, die sich seit Jahren um sie kümmert und ihr jede Woche Einkäufe und den „Stern“ mitbringt, zieht weg. Doch dann entdeckt Edna in der Zeitschrift einen Artikel über eine Schlammlawine in der Nähe von Ravensburg mit einem Foto von Jacob Kneip, der zu den Betroffenen gehört und jetzt im Krankenhaus liegt. Für Edna ist klar: Sie muss ihn dort besuchen. Denn rund 80 Jahre zuvor hat sie ihn im Stich gelassen und seither nicht mehr gesehen. Den Weg zurück nach Ravensburg möchte sie auf dieselbe Weise zurücklegen wie ihr zehnjähriges Ich, als es vom Hof eines Großbauern zurück in die Heimat geflohen ist. Das bedeutet unter anderem, dass sie zu Fuß über den Arlberg muss...

Die Geschichte widmet sich den Schwabenkindern, die ab dem 18. bis Mitte des 20. Jahrhunderts aus armen Bauernfamilien in Südtirol auf reiche Höfe in Oberschwaben gebracht wurden, um dort zu schuften. Viele haben ihre Heimat nie wiedergesehen. Auch die fiktiven Charaktere Edna und Jacob gehören zu ihnen. Im Jahr 1938 sind sie auf einen Hof gekommen, dessen Besitzer unerbittliche Menschen waren und wo hinter verschlossenen Türen schreckliche, unaussprechliche Dinge geschahen. Früh erfährt man, dass Edna und Jacob zusammen fliehen wollten, doch dabei irgendetwas schief gegangen ist. Dank des Zeitungsartikels weiß sie endlich, wo sie ihn finden kann, und macht sich auf den Weg zu ihm.

Edna könnte im Nu in Ravensburg sein, doch für sie ist es wichtig, dieselbe Strecke mit denselben Mitteln zu bewältigen wie einst auf ihrer Flucht in die andere Richtung. Ihren Weg bewältigt sie fast ohne Geld und über weite Strecken zu Fuß, oftmals schläft sie im Freien. Dabei begegnen ihr zahlreiche skurrile Charaktere. Das ganze erinnerte mich sehr an Harold Fry, der allerdings ein gutes Stück jünger war. Dass eine Frau um die neunzig solche Strapazen durchhält erscheint wenig glaubwürdig, darauf muss man sich als Leser genauso einlassen wie an die zahlreichen Zufallsbegegnungen auf dem Weg. Ich fand ihre Reise recht langatmig und hätte mir ein etwas anderes Ende gewünscht. Den Handlungsstrang rund um Max, den Mann von Adele, hätte man aus meiner Sicht auch weglassen können. Die Rückblicke in Ednas Vergangenheit auf dem Hof sind bedrückend und emotional, machen aber den kleineren Teil der Geschichte aus. 

Ich fand es interessant, in „Als wir uns die Welt versprachen“ mehr über das traurige Schicksal der Schwabenkinder zu erfahren. Die Umsetzung der Geschichte hat mir jedoch nur mäßig gefallen.