Rezension

Nicht ganz was ich erwartet hatte

Miracle Creek - Angie Kim

Miracle Creek
von Angie Kim

Bewertet mit 4 Sternen

Miracle Creek ist das, was wir ein verschlafenes Nest nennen würden. Warum es den koreanischen Auswanderer Pak mit seiner Familie ausgerechnet hierher verschlagen hat ist am ehesten der Tatsache geschuldet, dass er hier ein günstiges Häuschen gefunden hat, ziemlich klein, windschief und nicht wirklich gemütlich, etwas abseits und umgeben von Wald. Auf dem Grund gibt es auch eine Scheune und in dieser verbirgt sich Pak's, etwas abenteuerliche, Geschäftsidee. Eine Druckkammer, in der man hyperbare Oxygenierung durchführen kann, das Atmen reinen Sauerstoffs unter erhöhtem Umgebungsdruck. Die Therapie soll bei den verschiedensten Leiden helfen und obwohl das Ganze medizinisch nicht anerkannt ist, hat Pak großen Zulauf.

Direkt zu Beginn des Buches wird der Leser Zeuge eines Unfalls, es bricht ein Feuer in der Druckkammer aus, ein Kind und eine Mutter kommen zu tode, während Pak, seine Tochter und einer der Kunden verletzt werden. Schnell ist der Verursacher des Feuers gefunden und es kommt ein Jahr später zur Gerichtsverhandlung, in deren Verlauf die Ereignisse aufgearbeitet werden.

Die Autorin rollt ihre Geschichte quasi von hinten auf, der Leser kennt das Resultat und erfährt nun schrittweise, wie es zu der Tragödie kommen konnte und welche Rolle die verschiedenen Beteiligten dabei spielen. Im Verlauf der Geschichte kommen die einzelnen Figuren zu Wort, so bekommt der Leser immer wieder verschiedene Versionen und Blickwinkel angeboten. Ganz allmählich setzt sich letztlich ein Bild der tatsächlichen Ereignisse zusammen und eine erschreckende Wahrheit kommt ans Licht. Das Buch ist unterteilt in die jeweiligen Prozesstage, diese wiederum sind unterteilt in Kapitel mit den Namen der jeweils handelnden Person. Die aktuellen Geschehnisse sind ebenso Inhalt, wie das Leben der Figur und die Erinnerungen an den Tag des Unglücks. 

Der Schreibstil ist recht unaufgeregt, es gibt zwar eine eher hintergründige Spannung, die über Allem liegt, aber die Geschichte verläuft sehr geradlinig. Trotzdem liegt ein gewisser Reiz in der Geschichte, je mehr Ungereimtheiten zu Tage treten, je mehr man über die einzelnen Personen erfährt, um so mehr zieht die Geschichte einen in ihren Bann. Die Hintergründe der Figuren sind mir manchmal etwas zu schwammig um ihr Handeln zu erklären, hier ergeht sich die Autorin etwas in Klischees, die starr in alten Traditionen verhaftete Familie Yoo, Matt, den der unerfüllte Kinderwunsch seiner Frau unter Druck setzt, oder Elizabeth, die Helikoptermutter, deren Leben sich nur noch nach den Therapien für ihren Sohn richtet. Ohne diese Klischees würde das Buch nicht so gut funktionieren, aber streckenweise ist das Ganze doch sehr plakativ. 

Miracle Creek ist ein eigener kleiner Mikrokosmos, in dem die Figuren auf vielfältige Weise miteinander verbandelt sind, oft, ohne das dies direkt erkennbar wäre. Oberflächlich gesehen scheint es ein Idyll zu sein, hinter der Fassade jedoch warten Lügen und Geheimnisse darauf ans Licht zu kommen. Lügen und Geheimnisse, die letztendlich zu der Tragödie führen, über die wir zu Beginn des Buches gelesen haben.