Rezension

Nicht so packend wie ihre anderen Bücher

Wir sehen uns unter den Linden - Charlotte Roth

Wir sehen uns unter den Linden
von Charlotte Roth

Bewertet mit 3.5 Sternen

Der neue Roman von Charlotte Roth ist eine Familiengeschichte, die 1928 mit der Liebe von Volker und Ilo unter den Linden beginnt und 1961 mit dem Mauerbau endet und auf verschiedenen, sich öfters abwechselnden Zeitebenen spielt.

1945 wird Volker vor den Augen seiner Familie in der eigenen Wohnung von der Gestapo erschossen, auch seine 16jährige Tochter Susanne muss zuschauen.

1952 lebt Susanne, die sich fortan Sanne nennt, in Ostberlin. Sie steht linientreu zu dem neu gegründeten DDR-Staat. Als sie Unter den Linden auf den lebenslustigen West-Berliner Kelmi trifft, wehrt sie sich lange für ihre Gefühle für ihn, doch Kelmis Ausdauer kann sie irgendwann nichts mehr entgegen setzen. Eine heimliche Liebe beginnt, eine trotzallem aber auch glückliche Zeit für die beiden Verliebten, auch wenn sie sich über viele Fragen nie einig werden. Zu viel trennt sie, ihre Vergangenheit, ihr jetztiges Leben, die zwei deutschen Staaten....immer wieder macht Sanne daher einen Rückzieher. Kann es für die beiden eine gemeinsame Zukunft geben?

 

Das Buch hat über 500 Seiten. Manchmal hatte ich beim Lesen einen Durchhänger, ob es an den ziemlich vielen Zeitensprüngen lag, an den vielen Details und vielen Fäden, die die Autorin darin verknüpft ? Es gibt Verwicklungen, Gefühle, aber auch Überraschungen, die sich erst am Ende offenbaren. Vielleicht lag es auch einfach daran, dass mir schlußendlich keiner der Figuren so richtig gefallen hat, irgendwie hatte jeder sine kleinen oder großen Macken, seine Ideologien, seine Fehler. Ich gebe zu, dies ist wahrscheinlich beabsichtigt und die Basis des Romans. Charlotte Roth hat auf den zwei Erzählebenen (Volker, Ilona, und Kelmi, Sanne) noch weitere Figuren erschaffen, die beide Zeitebenen verknüfen und alle Hauptfiguren begleiten (Hilli, Eugen, um nur ein paar zu nennen). Eigentlich braucht es  auch solche Akteure, die nicht nur gefallen, die anecken, die Positionen vertreten, die den jeweiligen Zeitgeist widerspiegeln, gerade wenn es um eine Zeit geht, die noch gar nicht so lange zurück liegt. Die Autorin hat jedenfalls diese Personen nicht nur skizziert, sondern im Gegenteil, sie sehr detaillreich lebendig gemacht.

Im letzten Drittel jedenfalls konnte ich das Buch kaum noch aus der Hand legen und die Handlung hat einiges an Fahrt aufgenommen, zudem kamen die überraschenden Wendungen hinzu.

Charlotte Roth hat diese Zeit, die viele ihrer Leser nicht mehr selbst miterlebt haben, lebendig gemacht. Ob es sich so hätte abspielen können, ob die vielen Details realistisch sind, kann ich leider nicht beurteilen. Das Grundgerüst jedenfalls ist stimmig und spiegelt daher eine Zeit wider, die man nicht vergessen sollte, dazu trägt dieser Roman bei.