Rezension

Niemand reizt mich ungestraft

Oreo
von Fran Ross

Bewertet mit 2 Sternen

Christine ist eine außergewöhnliche Heldin: Ihre Mutter ist schwarz, der Vater Jude. Christine ist wie ein Oreo, außen schwarz, innen weiß, eine doppelte Außenseiterin. Der Vater hat die Familie verlassen, als Christine und ihr Bruder noch sehr klein waren. Die Mutter lässt die Kinder in der Obhut ihrer Mutter, um Karriere (als was eigentlich?) zu machen. Die Kinder wachsen also bei  der schwarzen Großmutter auf, deren breiiger Südstaatendialekt nahezu unverständlich ist, der Großvater ist ein Pflegefall. Es sind keine günstigen Bedingungen in einen Start ins Leben. Mit 16 macht sich Christine auf, den Vater, der für sie ein seltsames Vermächtnis aufbewahren ließ, in New York zu suchen.

Die afroamerikanische Autorin Fran Ross hat diese Geschichte 1974 verfasst. Es ist ein gelinde gesagt merkwürdiges Buch. Kurze Abschnitte, kein erkennbarer roter Faden, ein konstruierter Bezug zur griechischen Theseus Sage, platter Witz und derbe Sprache. Ich halte mich für eine versierte Leserin, aber ich bevorzuge ein Konzept, wie bei den berühmten Dominosteinen. Steine am Anfang, Steine in der Mitte, Steine am Schluss und beim Umfallen ergibt sich eine fließende Bewegung: Hier ist es so, als ob die Katze durch die Steine gelaufen wäre. Alles an diesem Buch ist grotesk, aufgeblasen wie ein Frosch kurz vor dem Platzen, jedes Klischee aufs Äußerste ausgereizt. Eine Mischung aus Comic ohne Bilder, Tagebuch einer Pubertierenden und Sprachbastelbuch für Erwachsene. Fran  Ross lässt Christine und ihren Bruder eine eigene Sprache reden, schöpft neue Worte, seitenweise Aufzählungen. Es ist mühsam, witzlos und äußerst verwirrend.

Ja, es ist ein mutiges Buch gegen Rassismus und Sexismus. Das Psychedelische an dem Buch ist wahrscheinlich seiner Zeit geschuldet. Ja, es gibt für jeden Leser das richtige Buch wie den richtigen Deckel zum Topf. Doch wie sagt Christine so wunderbar: „n’ Pott ohne Deckel tut’s auch.“

Aber ich folge ganz getreu Christines Motto: Nemo me impune lacessit – niemand reizt mich ungestraft. (Ich würde ja statt „reizen“ ein anderes Verb wählen, das mit dem Gesäß, aber dann schmeißt mich beim online stellen wieder so ein Algorithmus aus dem System.)