Rezension

Öl unter Warnemünde und die Uhren ticken anders.

Schwarzes Gold aus Warnemünde - Harald Martenstein, Tom Peuckert

Schwarzes Gold aus Warnemünde
von Harald Martenstein Tom Peukert

Bewertet mit 4.5 Sternen

Wir, die wir 45 und älter sind, erinnern uns doch bestimmt noch an die Bilder im Fernsehen aus dem Herbst 1989. Die oft wiederholte Pressekonferenz, in der Günter Schabowski mit einem Blick auf seinen Zettel, der gespannten Zuhörerschaft zerstreut vorliest: "Soeben wird mir mitgeteilt,....." nein, nicht dass Privatreisen nach dem Ausland ab sofort ohne besondere Genehmigungen erlaubt sind, da habt ihr nicht richtig hingehört.
Aber lauschen wir doch noch ein wenig dem Herrn, der da sehr unvorbereitet vor der daheimgebliebenen Bevölkerung der DDR getreten ist: "..., dass an der Ostseeküste der Deutschen Demokratischen Republik umfangreiche Erdölvorkommen entdeckt worden sind.... Die Regierung der DDR hat sich entschlossen, Ihnen mitzuteilen, dass ab sofort Öl zu Verfügung steht."

Der darauf entstehende Tumult, das Stimmengewirr, die Fragen, die Aufschreie, der Jubel, ja, das ist in unseren Köpfen hängengeblieben, aber ansonsten ist alles anders gelaufen. Die DDR ist plötzlich reich und bestimmt ab sofort, wo es langgeht. Eine Wiedervereinigung hat es nicht gegeben, aber eine Menge Wessis versuchen am wirtschaftlichen Aufschwung der DDR teilzuhaben. Hartmut Mehdorn lehnt den Posten eines Bahnschefs im Westen ab und wird Generaldirektor der neuen IT-Weltfirma Robotron in Leipzig, Uli Hoeneß ist im Vorstand des FC Dynamo Dresden und unser Karl Theodor von Guttenberg versucht sein Glück als Wirtschaftsminister im kleineren Bruderstaat. Viele andere Wessis verdingen sich im Osten als Gastarbeiter. Sie erledigen die Aufgaben, welche die Ossis mit ihrem bedingungslosen Grundeinkommen nicht selbst erledigen wollen.

Uns begegnet Sahra Wagenknecht als Hegel zitierende Yogalehrerin, Kati Witt und Kai Pflaume als Dschungelcamp-Moderatoren auf Kuba, Gregor Gysi als Kulturminister und Angela Merkel im Knast.

Die zwei investigativen Journalisten Martenstein aus dem Westen und Peukert aus dem Osten recherchieren und sprechen mit Menschen, die die Wende hautnah miterlebt und daran zugrunde gegangen sind, oder nun auf der Sieger-Seite stehen. Dabei decken sie Erstaunliches auf, nämlich.... na, dass hättet ihr jetzt wohl gern. Lest selbst.

Natürlich sind das postfaktische Tatsachen und der uns vorgehaltene Spiegel hat alles verdreht. Aber dieses Buch hat eine Menge Spaß gemacht, weil so viele bekannte Namen und Ereignisse mit eingebunden waren und die Geschichte so hätte verlaufen können, wenn in China ein Sack Reis umgefallen und unter Warnemünde ein paar Dinos mehr zugunsten unserer Energiereserven verottet wären.
 

Kommentare

wandagreen kommentierte am 30. November 2018 um 13:19

So weniges entschweidet über den Weltenlauf. Ich hätts den Ossis mehr gegönnt als den Arrrrabs.