Rezension

Packendes moralisches Gedankenspiel

Trophäe -

Trophäe
von Gaea Schoeters

Hunter White, welch programmatischer Name, ist ein reicher Amerikaner, der nach Afrika reist, um das letzte Tier seiner Big Five Liste zu erlegen, ein männliches Nashorn. Trotz akribischer Vorbereitung und Vorsichtsmaßnahmen kommen ihm Wilderer zuvor. Hunter ist frustriert, hat er seiner Frau doch eine tolle Trophäe versprochen. Da bietet ihm sein Freund und Organisator der Jagd etwas völlig neues an. Ob er schon einmal von den Big Six gehört habe? Wie wird Hunter sich entscheiden?

Der vorliegende Roman testet Grenzen aus. Ich habe mich etwas vor dem Lesen gefürchtet, da man ja schon erahnen kann, was es mit den Big Six auf sich hat. Dies hätte durchaus in einem platten brutalen Thriller enden können, doch die Autorin behält den Anspruch und das Romangenre die gesamte Zeit über bei. Die Naturbeschreibungen sind grandios und über Strecken liest sich das Buch wie ein Abenteuerroman. Die Szenerie wirkt realistisch und sehr bildhaft. Das Leben in Afrika ist nahbar und faszinierend, doch neben weiter Landschaft und exotischer Tierwelt zeigt der Roman auch die Mechanismen und Korruption auf. Das wichtigste an diesem Roman ist allerdings die Erzählperspektive. Die Autorin versetzt einen beim Lesen in eine Perspektive, aus der man an vielen Stellen am liebsten ausbrechen möchte, weil sie sich oft nicht mit den eigenen Moralvorstellungen deckt. Schoeters zeigt die moralische Akrobatik auf, die reiche (weiße) Hobbyjäger betreiben, um ihr Handeln zu rechtfertigen. So redet sich auch Hunter sein privilegiertes Treiben mit dem Artenschutz schön. Das löst beim Lesen durchaus Widerstände aus, die jedoch durch wiederholte Widersprüche in Hunters Argumentationen befriedigt werden, ohne auch nur ansatzweise moralisierend zu wirken. Dennoch möchte man oft genug in das Buch hineingreifen und Hunter durchschütteln. Glaubt er ernsthaft, dass die Jagd fair sei; nur er gegen das Großwild, dass in einem Augenblick des Blickaustauschs angeblich die Jagd und die eigene Niederlage anerkenne? Während gleichzeitig noch weitere Männer im Hintergrund stehen, die bei einem unerwarteten Angriff Hunter dann doch durch einen Schuss vor dem Tod bewahren? Die Autorin erzeugt viel Mitgefühl mit der Beute durch die Schilderung von deren Alltag und Gewohnheiten.

Mich hat dieses Buch absolut begeistert. Ich mag Naturromane und an Naturszenen bekommt man hier viel geboten. Zudem wird hier ein hochaktuelles Thema verhandelt und ethisch beleuchtet, ohne mit dem Holzhammer daherzukommen. Man wird mit den Argumenten und den logischen Lücken in den Argumentationsketten vertraut gemacht durch den Protagonisten, dem man unfreiwillig folgen muss und der ein skrupelloser, privilegierter Unsympath ist. Zudem war das Buch meiner Meinung nach sehr spannend. Ich habe dieses packende moralische Gedankenspiel beim Lesen sehr genossen und zum ersten Mal seit längerer Zeit wieder den Eindruck gehabt, dass Literatur nicht nur einem Selbstzweck dient, sondern Lesende konfrontieren und herausfordern kann. Absolut lesenswert.