Rezension

penibel recherchiert und fesselnd erzählt

Der Totengräber und der Mord in der Krypta (Die Totengräber-Serie 3) -

Der Totengräber und der Mord in der Krypta (Die Totengräber-Serie 3)
von Oliver Pötzsch

Bewertet mit 5 Sternen

In diesem dritten Fall bekommen es Leo von Herzfeldt und Julia Wolf mit Spiritisten und verschwunden Waisenkindern zu tun.

 

Doch von Beginn an: Oberpolizeirat Stukart lässt Leo von Herzfeldt und Julia Wolf aus der Opernaufführung, in der die berühmte Maria Vanotti singt, holen. Der Grund: Sein Freund Dr. Lichtenstein liegt tot in der Krypta unter dem Stephansdom. Der Mediziner hat angedeutet, die betrügerischen Machenschaften in der Spiritistenszene offen zu legen. Da der Tote ebenso wie Stukart und Herzfeldt jüdischer Abstammung ist, befürchtet Stukart, dass die Ermittlungen im bekannt antisemitischen eingestellten Polizeiwesen, nicht wirklich ordnungsgemäß betrieben werden.

 

Leo ist ein rational denkender Polizist, deswegen hat er so seine Zweifel an Séancen und Spiritisten. Da er zu wenig darüber weiß, wendet er sich an Augustin Rothmayer, den Totengräber vom Zentralfriedhof. Der hat allerdings selbst eine schwierige Zeit, denn Jossi, der Freund seiner Adoptivtochter Anna ist plötzlich verschwunden. Genauso verschwunden, wie der kleine Czerny, ein Sohn aus begütertem Haus, dessen Eltern Verbindungen zum Kaiser nachgesagt werden und zahlreiche Knaben aus dem Waisenhaus in Margarethen. Während sich Oberinspektor Leinkirchner, ein Antisemit und Intrigant, mit dem Fall Czerny herumschlägt, sind ihm die verschwundenen Waisenkinder völlig egal.

 

Bald wird klar, dass die beiden Fälle Gemeinsamkeiten aufweisen, doch wirklich belastbare Beweise gibt es noch nicht. Und welche Rolle spielt der Journalist, den Polizeifotografin Julia Wolf aus ihrer Jugend kennt?

 

Meine Meinung:

 

Mit diesem dritten Fall für Leo von Herzfeldt und Augustin Rothmayer lässt uns Oliver Pötzsch wieder in das Fin de Siècle in Wien abtauchen. Die Diskrepanz zwischen Arm und Reich ist größer denn je. Die einen haben kein Dach über dem Kopf und bei anderen ist mit Telefon und Automobil die Moderne eingezogen. Es ist die Zeit des Bürgermeisters Karl Lueger, eines glühenden Antisemiten, der ständig über Juden herzieht, aber mit deren Geldern die Stadt am Laufen hält. Diese antijüdische Stimmung beherrscht auch den Polizeiapparat wie an Oberinspektor Paul Leinkirchner deutlich zu erkennen ist.

 

Wie wir es von Oliver Pötzsch gewöhnt sind, hat er penibel recherchiert und ist dabei auf einen bekannten wie umstrittenen Forscher gestoßen: Karl Freiherr von Reichenbach (1788-1869), der sein Leben lang nach dem „Od“, jenem Stoff, der das Leben darstellen soll, geforscht hat. Wer mehr über Reichenbach erfahren will, dem sei Bettina Bàlakas Roman „Der Zauberer vom Cobenzl“ empfohlen.

 

Außerdem gibt sich Arthur Conan Doyle, der Schöpfer von Sherlock Holmes, die Ehre, Leo von Herzfeldts Mutter durch Wien zu begleiten. Der Schriftsteller hat als Jugendlicher ein Jahr lang eine Schule in Wien besucht.

 

Neben den komplexen Kriminalfällen kommt auch die menschliche Seite nicht zu kurz. Für Julia, die alleinstehende Mutter Julia, die ihren Lebensunterhalt als Polizeifotografin verdient, scheint sich eine berufliche Veränderung anzubahnen, die auf eine Fortsetzung der Reihe hoffen lässt. Stoff dafür gibt es im Wien des Fin de Siècle ja genug.

 

Fazit:

 

Ein gelungener historischer Krimi aus dem Wien um 1895, bei dem die Stimmung und die gesellschaftlichen Konventionen der Hauptstadt der Donaumonarchie sehr gut getroffen sind. Gerne gebe ich hier 5 Sterne und eine Leseempfehlung für die ganze Reihe.