Rezension

Roman über Virginia Woolfs letzten Tage

Ach, Virginia - Michael Kumpfmüller

Ach, Virginia
von Michael Kumpfmüller

Bewertet mit 4 Sternen

Im Alter von 59 Jahren nahm die Schriftstellerin Viriginia Woolf sich das Leben. Michael Kumpfmüller lässt nun in seinem Buch "Ach, Virginia" die letzten Tage der Virginia Woolf lebendig werden. 

Kumpfmüller begibt sich dazu in die Gedanken- und Gefühlswelt Woolfs. Er wählt die Innensicht als erzählerisches Mittel, den Bewusstseinsstrom. Er umkreist dabei immer wieder die gleichen Gedanken und Gefühle der Schriftstellerin: ihre Selbstzweifel, die Angst, wahnsinnig zu werden, wieder in eine Anstalt zu müssen, ihr Unvermögen, zu schreiben. 

Wer sich von dem Buch erzählerisch nahegebrachte Informationen über Woolfs Bücher, ihre Erfolge, ihre neuen Ansätze des Erzählens erhofft, wird bitter enttäuscht. All das kommt in dem Buch nicht, allenfalls am Rande, vor. Kumpfmüller zeigt stattdessen eine Virginia Woolf, die - das dürfte es wohl am besten treffen - zutiefst selbstreferenziell ist. 

Deutlich wird dadurch einerseits Woolfs Stolz und Narzissmus, ihre Überheblichkeit im Wissen darüber, dass sie (und nur sie!) eine außerordentliche Schriftstellerin ist. Ebenso tritt aber auch ihre Brüchigkeit und Verletzlichkeit zutage, verbunden mit abgrundtiefen Selbstzweifeln und ebenso abgrundtiefer Angst. Allenfalls verschwommen ist die Wahrnehmung ihrer Umwelt. Der Leser ist mit hineingenommen, wenn sie sich fragt, ob sie gerade etwas laut gesagt hat oder nur gedacht hat, ob die Stimmen, die sie hört, real sind oder nicht. Und ja: der Leser spürt, wie groß ihre Angst sein muss, erneut psychotische Schübe zu haben, wieder in eine Anstalt zu müssen. 

Dieser schmale Grat zwischen Realität und Wahn macht den Leser zum Deuter. Spätestens die subjektive Sicht auf den Ehemann , auf Freundinnen und Freunde lassen den Deuter zum skeptischen Beobachter werden. Bei den vielen vielfältigen Wiederholungen des immer gleichen Themas ist es das, was einen Kumpfmüllers Buch nicht vorzeitig beiseite legen lässt. Man wird als Leser Teil dieser Welt.