Schaurig schön und schlaflos
Bewertet mit 4 Sternen
Spoilerwarnung:
Alle Werke von Melanie Raabe haben faszinierende Themen inne. Erst 2022 war ich begeistert von „Die Kunst des Verschwindens“, ihrem Ausflug in die Welt der Romane/Belletristik ganz abseits von Thrillern/Sachbüchern. Diese Reise setzt sie nun fort (ob sie Thrillern endgültig den Rücken gekehrt hat?) mit „Der längste Schlaf“. Im Mittelpunkt: Schlaf, aber das ziemlich gewieft: Es geht nämlich um eine Schlafforscherin in London, die nicht schlafen kann. Ihre Träume kann sie nicht mehr von der Realität trennen. Und dann, als hätte sie nicht genug Probleme, wird ihr von einem Fremden ein großes Herrenhaus in ihrer Heimat Deutschland vermacht.
Man kann wenig über dieses Buch schreiben, ohne nicht Themen und Symboliken anzureißen, die einiges vorwegnehmen würden. „Der längste Schlaf“ bewegt sich irgendwo im Genre des magischen Realismus, es ist auf dem Weg zu Murakami, steckt aber fest. Es las sich wie ein Versuch, dem ich es nicht übel genommen hätte, mehr Absurdität zu wagen. Gleichzeitig hat es Anleihen einer klassischen Spukgeschichte mit modernen Elementen à la „The Others“. Auch „Sixth Sense“ und „In meinem Himmel“ kamen mir in den Sinn.
So ein Werk in deutscher Literatur zu haben, ist wunderbar! Es ist erfrischend und ich rechne den Mut jedes Mal hoch an. Das gesamte Tempo der Handlung sagte mir jedoch nicht zu. Charaktere wurden fix eingeführt und fallengelassen. Einige Ideen wirkten substanzlos und nicht zu Ende gedacht. Jedenfalls konnte ich mir nach der Lektüre den Sinn einiger Elemente nicht erschließen. Wenn selbst die unwichtigste Nebenfigur, die nur zwei Sätze zu sagen hat, eine zehnseitige Backstory bekommt, könnte „Der längste Schlaf“ auch von Stephen King stammen. Das Feeling stimmt auf jeden Fall.
„Der längste Schlaf“ macht sicher jedem Mystery-Fan Spaß. Wer genau diesen Mystery-Aspekt in Raabes Büchern bislang viel abgewinnen konnte, der kommt hier auf seine Kosten. Es liest sich schnell und ist im Herbst die optimale Schauer-Lektüre.