Rezension

Schaurig-schönes Märchen mit tiefschwarzem Humor

Coraline - Neil Gaiman

Coraline
von Neil Gaiman

Bewertet mit 4 Sternen

Der Umzug in ein neues düsteres Zuhause wird für die neugierige Coraline zum Abenteuer. Aber auf eine Art und Weise, die sie niemals für möglich gehalten hätte.

 

Schrullige alte Tanten, ein seltsam verschrobener Nachbar und ihre ständig mit wichtigeren Dingen beschäftigten Eltern erleichtern Coraline nicht gerade das schnelle Eingewöhnen in ihr neues Heim. Doch das mysteriöse alte Haus bietet reichlich Entdeckungsmöglichkeiten, die sie weitaus spannender findet als all die Spielsachen und Bücher, die man ihr geschenkt hat, damit sie abgelenkt ist. Der tiefe Brunnen in dem verwilderten Garten interessiert sie ebenso wie die geheimnisvolle abgesperrte Tür in ihrer Wohnung, hinter der sich lediglich eine Backsteinmauer befindet.
Dann hört sie eines Nachts unheimliche Geräusche aus dem Erdgeschoss. Als sie ihnen nachgeht, findet sie die ominöse Tür offen vor. Und hinter dieser liegt eine völlig andere Welt, die nur auf den ersten Blick paradiesisch erscheint.

 

Wer kennt Neil Gaiman nicht? Ich wurde durch Der Sternenwanderer und seinen Roman Ein gutes Omen, den er zusammen mit Terry Pratchett geschrieben hat, auf ihn aufmerksam. Ich mochte schon vorher seinen schwarzen, etwas eigentümlichen Humor sehr gerne und wurde auch hier nicht enttäuscht. Für manche mag der Witz gewöhnungsbedürftig sein und ich musste mich selbst erst einlesen, doch dann wurde ich gut unterhalten.
Zum einen lag das an der Hauptfigur. Coraline ist aufgeweckt, unternehmungslustig, sehr neugierig und hat ihren eigenen Kopf, doch eigentlich sehnt sie sich nach der Aufmerksamkeit ihrer arbeitswütigen Eltern. Das wird in der Parallelwelt schnell klar, in der sie landet, und in der ihre „andere“ Mutter und ihr „anderer“ Vater weitaus mehr um sie bemüht sind.

 

Dagegen bestechen die übrigen Charaktere hauptsächlich durch ihre Skurrilität und ihre Unheimlichkeit. Dazu muss man sagen, dass es sich hier eigentlich um ein Kinderbuch handelt und die Protagonisten deshalb nicht die Tiefe haben und haben können, die man vielleicht von Jugend- oder Erwachsenenliteratur gewohnt ist. Der Schreibstil ist dabei bewusst kurz gehalten und Gaiman verzichtet auf ausführliche Innenansichten des Mädchens oder ausschmückende Metaphern, die für Kinder nur schwer zu verstehen wären.
Trotzdem ist der unterschwellige Horror, der ganz ohne Blut oder viele Schockeffekte auskommt, für die ganz Kleinen eher weniger geeignet. Die grusligen Begebenheiten in der Spiegelwelt, in die Coraline gerät, sind so beschrieben, dass sie sehr leicht vorstellbar sind. Und die sehr dichte Atmosphäre, die der Autor in dem Roman aufbaut, kann selbst einem Erwachsenen einen Schauer über den Rücken jagen.

 

Coraline besticht vor allem durch seine gewitzte Hauptfigur und die interessanten Einfälle, hinter denen Neil Gaiman seine Botschaft von dem mutigen Mädchen versteckt, das tapfer seine Eltern rettet. Die schaurige Geschichte mit dem eigenwilligen Humor ist spannend und mitreißend erzählt, wenn man sich erst an den Schreibstil eines Kinderbuches gewöhnt hat, und unterhält bis zur letzten Seite.
Kurzum: Ein kurzes Horrormärchen voll skurril-intelligentem Witz, das besonders für Fans von Tim Burton, egal ob Jung oder Alt, wärmstens zu empfehlen ist.