Rezension

Schöne Idee, die besser hätte umgesetzt werden können.

Nach uns der Sturm -

Nach uns der Sturm
von Vanessa Chan

Bewertet mit 3 Sternen

Die Familie Alcantara lebt in Malaya, dem späteren Malaysia. Die britischen Kolonialherren kontrollieren träge die Grenzen und scheinen sich einzig für die Palmwedelfelder zur Schnapsherstellung zu interessieren. Cecilys Mann Gordon hat einen gehobenen Posten ergattert, der sie der britischen Gesellschaft etwas näher bringt. Ihre eurasische Herkunft, Mutter Portugiesin, Vater Malaie, sorgt für ein helleres Hautbild. Das reicht jedoch noch nicht um über den Malaien anderer Ethnien zu stehen. 

Doch ganz gleich, wie sehr sie ihre Haut schrubbten, um an die helleren Schichten zu gelangen, ganz gleich, wie gut sie die englische Sprache beherrschten, ganz gleich, wie laut sie ihren Nachnamen sagten, ganz gleich, wie sehr sie versuchten, auf die richtige Art zivilisiert zu sein – in den Augen der Imperialisten blieben sie immer minderwertig. S. 39

Cecily Alcantara wünscht sich für ihre Kinder Jujube, Abel und Jasmin bessere Zukunftsaussichten als in ihrem besetzten Land, Mensch zweiter Klasse zu sein, da spielt das Schicksal ihr den japanischen General Fujiwara in die Hände. Während der General in Cecily eine gelehrige Schülerin findet, die Japaner mit den nötigen Informationen zu füttern, um die Britten aus dem Land zu vertreiben, rutscht Cecily in eine obsessive Abhängigkeit zu Fujiwara, die ihre Augen dafür verschließt, dass ihre Familie auseinanderbricht.

Fazit: Die Geschichte wird von 1938 -1945 erzählt. Jedes Kapitel ist einer der Sichtweisen von Cecily im Jahr 1938 oder einem ihrer drei Kinder, im Jahr 1945 gewidmet. Vanessa Chan hat gut recherchiert. Ich mag es über eine Geschichte, die historischen Hintergründe eines Landes zu erfahren, das mir fremd ist. Ich kann mich noch gut daran erinnern, als Amerika Hiroshima und Nagasaki mit den ersten Atonbomben angegriffen hat, was die Autorin aufgreift. Auch die Idee einer solchen Aufarbeitung, die ja viel mit Schuld zu tun hat mag ich. Cecily, die sich nicht nur des Verrats schuldig gemacht hat. Der Genaral, der sich keiner Schuld bewusst ist. Eine ganze Nation, die sich monetär berreichern wollte, weil sie glaubte, dass ihr das zustand. Eine andere, die völlig fahrlässig und frei von jeder Verantwortung, Macht demonstrierte und tausende Menschen mit einem Schlag auslöschte. Die Geschichte hat es wirklich in sich. Es gibt viele kurze wirklich fiese Szenen, an die im Laufe der Geschichte immer wieder erinnert wird. Eine davon hat mich tatsächlich retraumatisiert. Sie ist mir noch Tage nach dem Lesen als Flashback erschienen. Was mir auch nicht gefallen hat sind die vielen Wiederholungen, die hätte es nicht gebraucht. Wäre das Buch von einem gescheiten Lektorat um mindestens ein Drittel gekürzt worden, wäre eine knackige, gut lesbare Essenz entstanden. So wie es ist hat es sich ins endlose gezogen:

Abel trinkt zum gefühlt 100sten Male den Palmwein, der brennend in den leeren Magen fließt. Die Worte säuerlich und bitter wiederholen sich etwa 50x, das finde ich dürftig. Solche Sätze wie: „Man konnte ohne Übertreibung behaupten, dass Jujubes Leben von Verzweiflung geprägt war.“ finde ich unterirdisch. Sie war verzweifelt, fertig. „Aber in Malaya schrie der Regen als wollte er Wut freisetzen, und das war sehr unangenehm.“ (den letzten Halbsatz hätte es nicht gebraucht)

Alles in allem, schöne Idee, die besser umgesetzt, besser ausgearbeitet und um ein Vielfaches gekürzt, ein echter Knaller hätte werden können. Für meinen Geschmack kein so gelungenes Debüt.