Rezension

Schöner aber ein wenig überladener Einstieg in beeindruckende Welt

Die Töchter von Ilian - Jenny-Mai Nuyen

Die Töchter von Ilian
von Jenny-Mai Nuyen

Bewertet mit 3.5 Sternen

Inhalt und Stil: Walgreta aus dem Volk der Zwerge möchte eine Weise Frau werden - doch in ihrem letzten Lehrjahr bei einer Wyka muss sie schmerzlich feststellen, dass das Schicksal etwas anderes mit ihr vor hat. Sie trifft auf den Elfen Fayanú, der von seinem Volk entsandt wurde, um vier magische Artefakte zusammenzusammeln. Geprägt von einer düsteren Vergangenheit und mit vielen Geheimnissen ausgestattet spielt er nun eine wichtige Rolle in Walgretas Leben, dass sich von nun an verändern wird. Gemeinsam begeben sie sich auf eine gefährliche Mission und treffen dabei auf Mitstreitende und verbitterte Feinde.

Der Schreibstil der Autorin ist flüssig und poetisch, könnte als feingliedrig und zum Genre passend beschrieben werden. Sowohl romantische Naturerlebnisse als auch epische fürchterliche Schlachtszenen werden bedacht und mit Liebe zum Detail gezeichnet. Die Figuren sind kantig und vielschichtig, wirken zum Teil authentisch und zum Teil fern - es gibt Sympathie tragende, aber auch das Gegenteil ist zu finden.
Der Plot ist voll von Figuren und ihren Hintergründen, Motivationen, Träumen, fast alles ist miteinander verbunden und es geschieht auf den ersten Blick sehr, sehr viel.

Meine Meinung:

Gleich zum Anfang war ich in den Bann gezogen und hatte Freude. Ich war zunächst voll freudiger Erwartung und sehr an Walgretas Geschichte interessiert. Je weiter der Plot fortschritt desto weniger Gefallen fand ich an der Protagonistin selbst, aber das ist okay. Schließlich gab es da noch Fayanú, den ich sehr in's Herz geschlossen habe. Die jeweiligen Entscheidungen konnte ich jedoch bei beiden nicht immer nachvollziehen.
Auch das ist völlig in Ordnung, denn die Protagonist*innen ambivalent zu gestalten ist eigentlich recht erfrischend.

Der Plot allerdings erwies sich für mich dann als immer konfuser werdende Achterbahnfahrt. Die vielen Figuren mit ihren eigenen Schauplätzen ließen mich oftmals in vergangenen Kapiteln nachschlagen, da ich insbesondere die Motivation / die Ambition einzelner Figuren vergessen hatte - es gab einfach so viele!

Der Schreibstil hingegen war durchgehend zauberhaft. Da ich nicht weiß, wie ich es ansonsten sinnvoll verpacken soll, hier ein paar Stichpunkte.

Was mir nicht gefallen hat:

  • problematische Darstellung einiger Themen (z.B. Vergewaltigung, Transphobie gegenüber einer genderqueeren Person,... -> Ich möchte und kann hier nicht in die Tiefe gehen)
  • Ziele, Beweggründe und Motivationen einzelner Figuren wurden nicht deutlich genug und zu selten beschrieben.
  • es wurden zu viele Themen auf einmal in einem Buch angesprochen

Was mir gefallen hat:

  • der Schreibstil
  • infragestellen von Genderrollen und anderen heteronormativen Konstrukten (damit ist auch die erfrischend andere Darstellung des Zwergenvolkes im fantastischen Setting eingeschlossen)
  • Vermittlung schöner Werte (schenken > nehmen)
  • das Worldbuilding war fabelhaft

Abschließend kann ich sagen, dass die Autorin hier eine sehr beeindruckende tolle Welt mit vielschichtigen Figuren erschaffen hat. Der Schreibstil ist wunderschön, viele behandelte Themen waren wichtig und es tat gut, sie in einem Fantasy-Roman zu lesen.

Es hätte der Geschichte eventuell gut getan, in mehrere Bücher geteilt zu werden - so wäre die Masse an Figuren, angeschnittenen Themen, Geschehnissen und Agendas nicht so erschlagen gewesen.

Ich gebe dem Buch gute 3,5 Sterne und werde aber auch weitere Bücher von der Autorin lesen.

Vielen Dank für das Rezensionsexemplar!