Rezension

Schöner Roman

Die Tübinger Schwestern -

Die Tübinger Schwestern
von Eva Carolin Seidel

Bewertet mit 5 Sternen

„...Das Ende des Tübinger Sommers war nicht mehr fern. Die Apfelbäume neigten sich unter ihrer schweren, süßen Pracht. Am Rande der üppigen Felder nickten die Sonnenblumenköpfe den Betrachter freundlich zu...“

 

Schon die ersten Zeilen des Buches weisen auf den bildhaften Schriftstil hin, der die Geschichte durchzieht.

Die Autorin hat einen eher ruhigen historischen Roman geschrieben. Sie beleuchtet darin die Lebensverhältnisse um die Jahrhundertwende. Die Geschichte beginnt 1899.

Ludwig Walther ist Leiter des Tübinger Gymnasiums. Seine drei Töchter reifen langsam vom Mädchen zur Frau. Sie leben, wie wir heute sagen würden, in einem gutbürgerlichen Haushalt. Gute Schulergebnisse sind den Eltern wichtig. Auch Begabungen werden gefördert.

 

„...Helen mochte besonders gern Wasserfarben., an Öl wagte sie sich noch nicht heran. Ihre Motive entstammten meist der sie umgebenden Landschaft...“

Als Leser darf ich die Entwicklung in der Familie für die nächsten vier Jahre begleiten. Tübingen ist eine Universitätsstadt. Studenten aus ganz Europa lernen hier. Natürlich gibt es die ersten Freundschaften und heftigen Liebeskummer, wenn die Abreise naht.

Josephine, das Nesthäkchen, wird nach einer schweren Krankheit für mehrere Monate zur Kur nach Norderney geschickt. Entgegen ihre Erwartung lebt sie sich schnell ein. Als Leser erhalte ich einen Einblick, wie der Kurbetrieb für Kinder damals ablief.

Barbara, die Älteste, geht nach London, um ihrer Tante, die wieder schwanger ist, zur Hand zu gehen. Dort lernt sie nicht nur das Großstadtleben kennen, sondern auch ihren künftigen Bräutigam. Der zeigt ihr bei einer Kutschfahrt die Sehenswürdigkeiten von London. Natürlich ist auch die Krönung des neuen Königs ein Thema.

Helene lässt sich im Lehrerinnenseminar in Zürich ausbilden. Dort hatte vor kurzem noch Johanna Spyri gewirkt. Danach arbeitet sie als Privatlehrerin in verschiedenen Haushalten.

Die Autorin lässt ebenfalls anklingen, dass es auch andere Lebensverhältnisse in Tübingen gibt. Else, Helenes Freundin, muss sich ein Arbeit suchen, nachdem ihr Vater verstorben war.

Gekonnt werden in die Geschichte historische Ereignisse und Personen eingebunden. So war Onkel Louis als Koch mit der Expedition von Amundsen in die Antarktis unterwegs.

Ein besonderes Stilmittel hat sich die Autorin für den Schluss aufgehoben. Peter, Barbaras Sohn, war der erste Enkel von Ludwig. Zu seinen 80. Geburtstag trifft sich ein großer Teil der Familie. So erfahre ich, was aus den einzelnen geworden ist.

Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Es zeigt das normale Leben einer Familie in der damaligen Zeit. Dazu gehörten auch die üblichen Feste. Manches hat sich dabei bis heute an Tradition erhalten.