Rezension

Schreibstil top, Story nicht so ganz

Roman ohne U - Judith W. Taschler

Roman ohne U
von Judith W. Taschler

Bewertet mit 3.5 Sternen

Familie Bergmüller - gestern und heute

Katharina Bergmüller ist Mutter von vier Kindern und jetzt, nachdem die Kleinen schon groß geworden sind, betätigt sie sich als Biografin. Im Namen der Angehörigen verfasst sie Lebenstexte, die eine bleibende Erinnerung sein werden, an ein gelebtes Leben und einen geliebten Menschen. Besonders das Manuskript eines alten Tagebuchs weckt ihr Interesse, geschrieben von einem Mann, der seine Liebe auf grausame Weise verlor und viele Jahre in einem russischen Gefangenenlager verbrachte. Leider kann Katharina mit dem Verfasser des Textes nicht mehr sprechen, da er bereits hochbetagt ist und mit Demenz in einem Pflegeheim wohnt, er führt schon lange keine Gespräche mehr. Nur seine Nichte Stephanie Mangold, ihre Auftraggeberin ist das Bindeglied zwischen den beiden. Doch je tiefer Katharina in die Vergangenheit abtaucht, desto sichtbarer werden die Verbindungen zur Gegenwart. Ihr Mann Julius hingegen bringt nur mäßiges Verständnis für die Ambitionen seiner Frau auf, fühlt sich aber in der Nähe der neuen Bekanntschaft Stephanie wie neugeboren, ist doch seine Liebe zu Katharina schon längst auf Sparflamme abgekühlt …

Meinung

Dieser Roman aus der Feder der 1970 geborenen Schriftstellerin Judith W. Taschler stand mittlerweile schon sechs Jahre ungelesen im Bücherregal und nun konnte ich ihn endlich im Rahmen einer Challenge vom SUB befreien. Die Story gliedert sich zwei Teile, einer konkreten Gegenwartshandlung, die die in Schieflage geratene Ehe von Julius und Katharina unter die Lupe nimmt und der Vergangenheitshandlung, rund um das Leben und Leiden von Thomas Bergmüller, der schildert, wie seine Tage und Nächte im kalten Sibirien als Zwangsarbeiter in einem Uranbergwerk aussahen.

Die Zusammenhänge zwischen beiden Erzählsträngen kann man erahnen, eine tatsächliche Aufklärung erfolgt aber erst zum Ende hin. Der Schreibstil der Autorin hat mir ausgesprochen gut gefallen, der Roman liest sich leicht, hat aber Tiefe, wird durch das Wirken verschiedener Charaktere und deren Motivation sehr vielseitig und niemals langweilig und schildert generationsübergreifend die verschiedenen Lebensstationen diverser Personen. In gewisser Weise eine allgemeingültige Lebensbetrachtung, die Liebe, Schicksalsschläge und falsche Entscheidungen für alle gleichermaßen aufnimmt und Wert darauf legt, dass der Leser mit den Protagonisten auf einer Stufe steht.

Dennoch konnte ich zum Text keine wirkliche Nähe aufbauen, vieles bleibt mir zu sachlich und unbestimmt, manches wird nur skizziert und man kann es mit eigenen Gedankengängen auffüllen, was mir jedoch schwerfiel. Prinzipiell lag das auch daran, dass ich zu den handelnden Personen keine rechten Sympathien aufbauen konnte, gerade die Interaktion zwischen den Eheleuten Julius und Katharina ging mir zunehmend gegen den Strich. Das Ende des Buches, war in meinen Augen zu theatralisch und wirkte irgendwie konstruiert, es rundet das Gelesene nicht ab und lässt mich eher mit einem Schulterzucken zurück.

Fazit

Ich vergebe 3,5 Lesesterne (aufgerundet 4) für diesen beschreibenden Familienroman mit zwei unterschiedlichen Handlungen, die erst spät gewisse Berührungspunkte haben. Dies ist wieder ein typisches Beispiel für eine Geschichte, die sehr viel Potential hatte und meiner Meinung nach nur unzureichend in Szene gesetzt wurde. Ich habe das Buch im Großen und Ganzen gern gelesen, es wird mir aber nicht in Erinnerung bleiben, dafür war mir die Geschichte einfach zu distanziert und erdacht, zu unrund und lückenhaft.

Von der Autorin allerdings werde ich sicher noch mehr lesen (es warten ja noch drei weitere Romane in den Untiefen meines Bücherregals) – ihre Art zu erzählen entschleunigt und sensibilisiert für viele Gedanken, die sie so nicht zu Papier gebracht hat.