Rezension

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Schwacher Anfang, stärkeres Ende

Die Australierin - Ulrike Renk

Die Australierin
von Ulrike Renk

Bewertet mit 3 Sternen

Inhalt:

Emilia wächst wohlbehütet in Hamburg bei ihrer Tante auf, nachdem ihre Eltern und ihr jüngerer Bruder geschäftlich nach England gezogen sind. Als sie 1855 mit 19 Jahren den Kapitän Carl Gotthold Lessing, den Neffen des Dichters, kennenlernt, fangen sie an, sich Briefe zu schreiben. Emilias Briefe begleiten ihn auf seinen langen Fahrten nach Chile, doch ihre Familie ist alles andere als erfreut darüber, schließlich soll Emilia nicht unter ihrem Stand heiraten. Doch sowohl Emilia als auch Carl Gotthold fühlen die Verbindung zueinander und die lange Zeit getrennt voneinander ist schlimm für sie. Nach der ersten großen Überfahrt haben die beiden dann eine Affäre miteinander und kurzerhand heiratet Emilia Carl Gotthold, gegen den Willen ihrer Familie. Sie leben lange Zeit auf See und schon bald ist Emilia zum zweiten Mal schwanger. Von da an gibt es nur noch ein Ziel für sie: Australien.

Meine Meinung:

Die ersten Kapitel sind aus der Sicht der 6-jährigen Emilia geschrieben und erzählen von ihrem Leben auf dem Land, unweit des schwer brennenden Hamburgs. Deshalb ziehen auch ihre strenge Tante Minna und der Onkel zu ihr und ihrer Familie ins Haus. Leider konnte mich der Anfang nicht packen, er ist eher langatmig und es passiert sehr wenig. Mit Emilia konnte ich mich nicht wirklich identifizieren, eher nimmt der Leser die Stellung eines Betrachters ein. Distanziert und unpersönlich beobachtet er das Geschehen, wenig emotional. Das finde ich normalerweise gerade das Schöne an Geschichten, man wird teilweise richtig in die Geschichte eingesogen, fiebert mit. Hier war das aber nicht so und hat sich auch nur etwas gebessert. Vielleicht lag das aber auch daran, dass durch den Klappentext der Großteil des Buches schon vorhersehbar ist, dass der Leser weiß, wohin die Reise geht. Jedenfalls hat dies nur wenig Spannung ermöglicht, auch wenn ich die Geschichte an sich sehr schön und berührend fand. Nach einem Zeitsprung von 9 Jahren wird es schon etwas interessanter. Emilia lebt wohlbehütet in Hamburg bei ihrer Tante und ihrem Onkel, ihre Eltern sind mit ihrem Bruder für unbestimmte Zeit nach England gezogen. Dies war für mich ebenso schockierend wie der Wille der Familie, Emilia bestmöglich zu verheiraten. Also keine Heirat aus Liebe, sondern nur wegen der geschäftlichen Beziehungen. Echt enttäuschend, welche Rolle die Frau zur damaligen Zeit gespielt hat! Nach historischen Romanen bin ich immer wieder froh, im 21.Jahrhundert leben zu können;) Jedenfalls bin ich nun etwas besser in die Geschichte reingekommen, Emilias Leben in Hamburg wurde sehr schön und auch detailliert beschrieben. Sie wurde mir sympathischer, auch wenn es mich genervt hat, dass sie aufgrund ihrer Erziehung scheinbar wenig eigenen Willen besitzt und auch ziemlich verwöhnt ist. Fesselnd wird es dann, als sie Carl Gotthold kennenlernt und etwas „Verbotenes“ tut. Ihre Familie will nämlich keinesfalls, dass sie Kontakt mit ihm hat, einem einfachen Kapitän, der ihr angeblich wenig zu bieten hat. Dabei ist Liebe ja schon das Wichtigste und diese kann man auf jeden Fall in seinen und Emilias Briefen aneinander finden. Diese waren gut geschrieben, auch wenn sie meistens ziemlich um den heißen Brei herum reden. So war das wahrscheinlich aber früher;) Ab der Stelle, wo Emilia Carl gegen den Willen ihrer Familie heiratet und mit ihm auf See fährt, hat mir das Buch sehr gut gefallen. Schon schockierend, wie schnell ihre Familie mit ihr gebrochen hat. Jedoch hat dies mir Emilia sehr sympathisch gemacht, sie hat endlich mal eigenen Willen gezeigt, ermutigt von Inken und Rieke, zwei sehr lieben und sympathischen Charakteren. Ebenso mochte ich Carl Gotthold sehr gerne und auch die Mannschaft wurde sehr gut beschrieben und einige von ihnen hatten interessante Geschichten zu erzählen. Die Zeit auf See wird anfangs viel und ausführlich beschrieben, besonders die Geburt ihrer ersten zwei Kinder, danach wird es aber immer weniger. Das fand ich aber gut, da mich die Seekapitel nicht zu 100% überzeugen konnten, teilweise waren sie sehr zäh. Mit der Ankunft und Niederlassung der mittlerweile kinderreichen Eheleute beginnt auch schon bald eine Geschichte aus einer anderen Sicht. Minnie, die zweitälteste von Emilias zahlreichen Kindern, unterscheidet sich stark von ihren Geschwistern, ist sie eher mit dem Land als mit der See verbunden. Als sie einen jungen Mann kennenlernt, der ihren Eltern nicht wirklich zusagt, dachte ich mir: Oh nein, nicht noch mal eine ähnliche Geschichte wie bei Carl und Emilia. Zwar waren einige Parallelen zu finden, jedoch unterscheiden sich Geschehnisse und Charaktere ziemlich. So mochte ich Minnie gleich von Anfang an und die Ereignisse waren auch deutlich spannender. Leider gibt es für Minnie aber kein Happy End, im Gegensatz zu ihrer Mutter. Besonders berührt hat mich, dass das Buch teilweise auf echten Begebenheiten beruht, dass es nicht nur reine Fiktion ist, wie man im Nachwort erfährt. Ereignisse aus dem Leben der Personen waren teilweise bekannt und darum wurde eine vollständige Geschichte geknüpft. Jedenfalls hat Ulrike Renk dies meist sehr gut gemacht, auch wenn mich das Buch nicht ganz packen konnte. Der Schreibstil hat jedoch gut durch das Buch geleitet und war angenehm zu lesen, so wollte ich das Buch beispielsweise nie abbrechen. Gut gefallen tut mir auch das Cover in den Orangetönen mit der Karte von Australien. Irgendwie macht es für mich den Eindruck nach Sehnsucht, als ob sich die Frau, die mit dem Rücken zu uns steht, sich etwas unendlich wünscht, Sehr schön und berührend jedenfalls.

Fazit:

Ein anfangs sehr zäher historischer Roman, der sich zum Ende hin jedoch deutlich steigert und schlussendlich auch berührt. Von mir gibt es trotz nur 3 von 5 Punkten eine klare Leseempfehlung!