Rezension

Seelengespräch mit Folgen

Der böse Trieb -

Der böse Trieb
von Alfred Bodenheimer

Bewertet mit 3 Sternen

Rabbi Klein hat immer ein offenes Ohr für seine Gemeindemitglieder – auch über die Zürcher Gemeinde hinaus. Einmal im Jahr führt er auf Wunsch von Viktor Ehrenreich ein „Seelengespräch“ mit dem Zahnarzt aus der Inzlinger Gemeinde. Nun ist Viktor tot und Rabbi Klein sieht sich plötzlich mitten in diesen Tötungsfall verstrickt, in dem nichts so ist, wie es auf den ersten Blick scheint. Nebenbei verliert er fast seinen Job, reist mal eben nach Israel und zurück und setzt seine Ehe aufs Spiel. Wird er Zeit haben, den Mord auch noch aufklären zu können?  

Dieser Krimi ist pure Entschleunigung und in einem ganz anderen Milieu angesiedelt, als es so üblich ist für das Genre. Das ist erfrischend unterhaltsam. Die Figur des Rabbi Klein ist mir durchweg sympathisch. Seine natürliche Neugier hält die „Ermittlungen“ aufrecht sowie der Ärger von der Inzlinger Kriminalpolizei zum Bespitzeln der Witwe angehalten zu werden. Und ein bisschen lenkt dieser Fall ihn auch von den Schwierigkeiten in der eigenen Gemeinde ab. Diese Einblicke in das jüdische Leben in der Schweizer Gemeinde finde ich als Leser fast spannender als den Mordfall. Das sich aus dem lapidaren Lieferengpass des Etrog, dem traditionellen Fruchtzweig für das jüdische Laubhüttenfest, plötzlich für Klein und seine Gemeinde eine Riesensache entwickelt, verfolge ich staunend. Bis vor das jüdische Gericht soll es gehen. Ach, gibt es neben dem deutschen, Schweizer oder europäischem Recht auch noch ein jüdisches? Und was hat es mit diesem Seelengespräch auf sich? Und innerhalb der Gemeinden gibt es natürlich auch verschiedene Ausprägungen und Schulen des Glaubens? Ich weiß von nichts und blicke auch nicht alles. Aber diese Verwicklungen sind dennoch interessant. Mir ist fast egal, ob Rabbi Klein den wahren Mörder findet. Hauptsache, er kann sich aus dieser Etrog-Affäre herauswinden. Bodenheimers Erzählstil ist ein klein wenig sperrig oder vielmehr kleinteilig ausschweifend, ohne auf den für mich nötigen Punkt zu kommen. Daher auch das Entschleunigungsgefühl. Aber das passt zu Klein und bestätigt ein klein wenig das Klischee des langsamen, bedächtigen Schweizers an sich. Doch auch der langsam Denkende gelangt ans Ziel. Nun ist es am Leser zu entscheiden, ob er mit der Lösung des Falls auch zufrieden ist.