Rezension

Nach längerer Pause endlich wieder ein Fall für Rabbi Klein

Der böse Trieb -

Der böse Trieb
von Alfred Bodenheimer

Bewertet mit 4.5 Sternen

Auch bei diesem Fall bleibt ein Stachel –wenn auch nicht ein »ganzer Kaktus« wie in »Der Messias kommt nicht«, dem dritten Fall von Rabbi Klein, wo der Gedanke der gerechten Welt, für den der Messias steht, vom Mörder pervertiert wird und es sich gerade zeigt, wie wenig erlöst diese Welt ist.

Hier, in »Der böse Trieb«, Rabbi Kleins sechstem Fall, der beim Schweizer Kampa Verlag erschienen ist und nicht mehr bei Nagel & Kimche, besteht der Stachel darin, dass unklar ist, ob Gabriel Kleins Drang zur Gerechtigkeit wirklich der Gerechtigkeit zum Sieg verholfen hat: Hat der Rabbiner dazu beigetragen, dass der Mörder/die Mörderin gefunden wird, oder hat er ohne es zu wollen daran mitgewirkt, dass eine unschuldige Person verurteilt und die schuldige glücklich wird? Dies bleibt unklar – wobei beide Mitgefühl verdienen.

Viktor Ehrenreich, Zahnarzt in Inzlingen, einem Ort in Deutschland nicht weit von der Schweizer Grenze entfernt, wird ermordet; Klein führte mit Ehrenreich jedes Jahr ein »Seelengespräch«, in dem dieser von seiner privaten Situation, seinen Problemen und Gedanken berichtet. Der Fall ist rätselhaft – schon der Mord selbst, bei dem ein Schuss in den Flügel Sonja Ehrenreichs, der Frau des Ermordeten, abgefeuert und dann Ehrenreich erschossen wurde, der sich in einer anderen Ecke des Raums befand. Aber warum schießt ein Mörder erst in die andere Richtung?

Ausgehend von Tonbandmitschnitten der »Seelengespräche« erforscht Klein die Beziehungen zwischen den Beteiligten: zuerst zwischen Ehrenreich und seiner Frau, dann werden Freunde Sonjas einbezogen, die als evangelikale Christen im Internet für Treue in der Ehe kämpfen, schließlich ein Freund Ehrenreichs, der mit diesem der Mussar-Bewegung Rabbi Israel Salanters anhing.

Die Stärke des Buchs ist, wie die Beziehungen zwischen den Menschen entfaltet werden. Einiges an Unwahrheit wird aufgedeckt – und eigentlich wird der Fall umso rätselhafter, je mehr bekannt wird: bis der Anstoß zur Lösung aus Grönland kommt. Zudem wird wieder, wie in den anderen Rabbi-Klein-Bänden, einiges zum Judentum erzählt – hier zu Problemen mit der Beschaffung der Etrogim (der Etrog ist eine Zitrusfrucht) für Sukkot, das Laubhüttenfest, und zum »bösen Trieb« – der, wie der Name sagt, zum falschen Verhalten verführen kann, aber auch die Lebensenergie ist, die, richtig eingesetzt, dem Leben Kraft zum Guten gibt. Und schließlich spielt natürlich Rabbi Kleins Familie, besonders seine Frau Rivka, wieder eine Rolle; der Liebe zwischen Rivka und Gabriel Klein können letztlich auch Ärger und Streitigkeiten nichts anhaben.

Ich habe das Buch, wie die vorigen Rabbi-Klein-Fälle, sehr gerne gelesen; diese Krimis sind ungewöhnlich, indem es vor allem auf die Beziehungen zwischen Menschen ankommt, die mit Rabbi Klein ruhig entfaltet werden. Spektakuläres wie wilde Verfolgungsjagden, Prügeleien, souveräne Helden der Ermittlung gibt es hier nicht – aber Längen gibt es keine und ich habe mich keinen Augenblick gelangweilt.

Kommentare

Büchi kommentierte am 09. März 2021 um 00:39

klingt wieder sehr lesenswert ^^

FIRIEL kommentierte am 09. März 2021 um 06:38

Rabbi Klein? Ich kenne nur Rabbi David Small von Harry Kemelman. Von dem habe ich elf Bände, die ich alle noch einmal lesen möchte. Ich möchte mir seinen Verwandten mal anschauen!

Steve Kaminski kommentierte am 09. März 2021 um 13:15

Ich habe von den Kemelman-Bänden noch nichts gelesen, weiß nur, dass es sie gibt. Insofern weiß ich nicht, ob die beiden, Small und Klein, vergleichbar sind. Wenn Du hier Alfred Bodenheimer in der Suche angibst, werden die verschiedenen Rabb-Klein-Bände angezeigt und Du kannst mit den Rezis vielleicht einschätzen, ob sie was für Dich sind. "Kains Opfer" und "Das Ende vom Lied" sind auch als Taschenbücher bei Heyne erschienen, bei den andern weiß ich es nicht.

FIRIEL kommentierte am 09. März 2021 um 18:33

Ich habe alle sechs Bände auf die Suchliste für die Bibliothek gesetzt. Oh, ich freue mich so darauf, wenn die Bib wieder öffnet!

Steve Kaminski kommentierte am 09. März 2021 um 22:34

Gibt es denn schon ein Datum, wann die öffnen dürfen? - Wenn Du die Bücher kriegst und gelesen hast, kannst Du ja mal, wenn Du magst, sagen, wie sie Dir gefallen haben.

FIRIEL kommentierte am 10. März 2021 um 06:52

Ich gehe in die Kölner Bibliothek. Wann sie komplett öffnen dürfen, weiß ich nicht. Aber zurzeit kann man fünf Medien vorbestellen, und wenn das erledigt ist, wieder fünf. Man muss sie aber innerhalb von wenigen Tagen abholen, also nach Köln fahren. Einmal in der Woche gebe ich in Köln Musikunterricht, fahre also ohnehin; dann gehe ich immer dort vorbei, und manchmal fahre ich auch samstags.

Büchi kommentierte am 10. März 2021 um 00:17

Ich kenne beide Reihen und finde den Bodenheimer ernster, wage zu sagen, etwas intellektueller. Bei beiden Reihen lernt man etwas über das Judentum; bei beiden Reihen sind es interessante Kriminalfälle bei Kemelman kommts nur etwas unterhaltsamer und lebhafter daher. 

FIRIEL kommentierte am 10. März 2021 um 06:54

Du kennst beide Reihen? Das ist ja klasse. Ich glaube, ich muss mal in deinen Bücherregalen nach Anregungen stöbern...

Büchi kommentierte am 11. März 2021 um 01:25

Würde mich freuen, wenn Du eine Anregung finden würdest ^^. So von Bücherjunkie zu Bücherjunkie. Ansonsten gerne immer fragen ;-)

Die Kemelman-Reihe las ich Ende der 70er Jahre.  Noch in der schwarzen Thriller-Reihe bei Rowohlt Taschenbuch. Mittlerweile erscheinen sie ja im Unionsverlag Taschenbuch. Möglicherweise sind es jetzt Neuübersetzungen, das konnte ich jetzt auf die Schnelle nicht ermitteln. Lesenswert ist  ja auf jeden Fall jeder Fall :-))).

FIRIEL kommentierte am 11. März 2021 um 06:32

Ich habe auch die schwarzen rororos. Und die Bodenheimer stehen nun auf meiner Suchliste für die Bibliothek, und die macht morgen wieder auf, hurra! Ich werde also am Samstag hinfahren und hoffen, dass ich reinkomme und es nicht völlig überfüllt ist. Und dann werde ich sehen, welche Schätzchen ich mitnehmen darf; meine Liste ist inzwischen einen Kilometer lang.

Steve Kaminski kommentierte am 11. März 2021 um 18:25

Viel Glück am Samstag!!!

FIRIEL kommentierte am 11. März 2021 um 18:51

Danke! Ich habe inzwischen über 100 Bücher auf meiner Suchliste; ein paar davon sind garantiert da.

Steve Kaminski kommentierte am 12. März 2021 um 01:30

Ah, Du fährst mit einem Fahrrad mit Anhänger in die Bibliothek... :-)

Büchi kommentierte am 11. März 2021 um 23:46

Viel Such- und Bucherfolg am Samstag ! ^^

lesesafari kommentierte am 10. März 2021 um 15:35

na toll, jetzt habt ihr mich gleich oder schon. :D

Steve Kaminski kommentierte am 10. März 2021 um 19:28

Wir sind alle aus Hameln. :-) - Im Ernst: Es ist doch schön, dass hier durch eine Rezi ein kleiner Austausch über gute Bücher stattfindet. Meist, scheint mir, rauschen die Rezis hier so durch, sodass es eigentlich egal ist, ob man sie schreibt oder nicht.

lesesafari kommentierte am 11. März 2021 um 07:43

da bin ich ja doch noch knapp 3-stellig entfernt.
es lohnt sich unter aktivitäten nachzuschauen. so sollte es ja eigentlich sein, dass man sich unter den rezis austauscht. vllt kann man da auch noch was verbessern...

Büchi kommentierte am 11. März 2021 um 01:26

@lesesafari ....   so muss das sein :-)))))

Steve Kaminski kommentierte am 10. März 2021 um 19:31

Body hat in den Bänden meist eine Betrachtung über eine Bibelstelle (natürlich aus jüdischer Sicht) - in dem neuen Band allerdings nicht.