Rezension

Segen oder Fluch - der unsichtbare Freund

Wo du auch bist - Fleur Smithwick

Wo du auch bist
von Fleur Smithwick

Bewertet mit 5 Sternen

★♡★♡★♡★♡★

Alice hatte in ihrer Kindheit einen unsichtbaren Freund: Sam. Doch er ist nicht, wie bei anderen, irgendwann verschwunden, sondern immer mal wieder aufgetaucht. Seit dem schrecklichen Unfall, bei dem Rory, der beste Freund von Alice, gestorben ist, ist Sam wieder da – und wird immer einnehmender. Anfangs fühlt sich Alice sehr geborgen, doch nach und nach wird ihr klar, dass von Sam eine Gefahr ausgeht. Nicht nur, dass sie unangenehm auffällt, wenn sie mit Sam spricht, es geschehen auch seltsame Unfälle in ihrer Umgebung. Alice wird sogar des Mordes beschuldigt. Als zwischen ihr und Jonathan, der ihr in ihrer Kindheit einmal aus einer misslichen Lage geholfen hat und seither eine wichtige Rolle in ihrem Leben spielt, Gefühle wachsen, gerät Alice in große Gefahr …

 

Mir fällt es schwer, dieses Buch in ein Genre zu ordnen. Es ist als „Roman“ deklariert, aber das sagt ja nicht viel aus. Auch Stephen Kings Bücher laufen unter „Roman“, sind aber mit „Wo du auch bist“ nicht wirklich zu vergleichen. Eine reine Liebesgeschichte ist es auch nicht, obwohl die Liebe eine wichtige Rolle spielt. Dennoch ist das Buch nicht schwülstig oder gefühlslastig. Es ist spannend, aber kein Thriller. Es ist nervenaufreibend, aber kein Horrorbuch. Es hat mysteriöse Elemente, ist aber kein Mystic-Thriller. Und doch hat es von allem ein wenig! Diese Mischung hatte ich bisher so noch nie und finde sie einfach toll. Ich hatte sehr viel Spaß beim Lesen und kleine Längen, die hin und wieder entstanden, wurden durch die folgenden Highlights dann wieder ausgeglichen. Im Gegenteil – die Längen wogen mich weitgehend in Sicherheit, nur um dann vom nächsten Ereignis wieder total gefangen und überrannt zu werden!

 

Das Buch ist in zwei Teile untergliedert. Im ersten Teil erfährt man, um was es insgesamt geht. Im zweiten dann wird Alice klar, dass sie in großer Gefahr schwebt. Beide Teile werden ab und an durch Einschübe von „Damals“ unterbrochen. Hier erfährt man immer wieder Dinge aus Alices Kindheit. Es sind Momente, die auch Erinnerungen von Alice darstellen. Sehr gut gemacht, meiner Meinung nach!

 

Die Protagonisten hat Fleur Smithwick wunderbar gezeichnet. Sie unterscheiden sich klar voneinander, ohne platt zu wirken. Sie hat ihnen wirklich Leben eingehaucht. Während alle anderen scheinbar linear ihr Leben leben, findet Alice nur kurze Ruhepausen und wird von einem Ereignis zum nächsten gespült, ohne selbst die Richtung bestimmen zu können. Alices Sorgen und Nöte konnte ich sehr gut spüren und ich habe mit ihr gemeinsam nach einer Lösung gesucht. Die Schwierigkeiten, die Außenstehende mit Alices unsichtbarem Freund hatten, konnte ich auch sehr gut nachvollziehen. Es ist so einfach, vorschnell ein Urteil zu bilden. Aber mit diesem Vorurteil ist dem Betroffenen noch lange nicht geholfen …

 

Das Element „unsichtbarer Freund“ zieht sich durch alle weiblichen Mitglieder aus Alices Familie – nur die Mutter tut das komplett ab. Allerdings lässt das Ende des Buches darauf schließen, dass sie doch mehr damit zu tun hat, als sie zugibt.

 

Wer ein „realitätsnahes“ Ende erwartet, sollte vorsichtig sein. Das Ende passt extrem gut zur Story und zum Plot, wird aber bei einigen nicht gerade Freude auslösen. Es hat mir persönlich aber total gut gefallen und mich mit dicker Gänsehaut zurückgelassen.

 

Die wenigsten Debütromane überzeugen mich wirklich. Schon gar nicht, wenn sie mehr als dreihundert Seiten aufweisen. Aber bei Fleur Smithwicks „Wo du auch bist“ haben das Lektorat und die Übersetzerin (Gabriele Weber-Jarić) vom Diana-Verlag extrem gute Arbeit geleistet. Lediglich das Korrektorat hat einige das/dass-Fehler eingebaut (wozu die Autorin definitiv nichts kann).

 

Mich haben diese 462 Seiten sehr gut gefallen und ich werde diese Autorin im Auge behalten. Da steckt noch viel Potenzial drin und ich bin gespannt auf weitere Werke von ihr. Fazit: die vollen fünf Sterne von mir!

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