Rezension

sehr ruhig - aber deswegen nicht minder spannend

Das Haus der Lügen - Stephanie Lam

Das Haus der Lügen
von Stephanie Lam

Bewertet mit 4.5 Sternen

Ich hatte mich bereits gefragt, wie um alles in der Welt sie Dr. Feathers` endlose Monologe ertrug, ohne dabei den Wunsch zu verspüren, ihm mit dem Schürhaken eins überzuziehen. Aber bei genauerer Betrachtung gelangte ich zu einem anderen Schluss: Sollte jemals so etwas wie Leben in ihr existiert haben, hatte der Doktor es wohl längst erstickt.

1924: Der junge Robert nimmt die Einladung seines Cousins Alex an, die Sommerfrische zur Erholung auf dem Familiensitz Castaway House zu verbringen. Dort angekommen schlägt ihm von der Frau des Hauses pure Abneigung entgegen. Und unter den Dienstmädchen wird geflüstert, in Castaway House gehe das Böse um...

1965: Vor einer unglücklichen Liebe geflüchtet, zieht die junge Rosie  in ein Zimmer ins Castaway House. Dort wohnt auch Star, mit der sie sich auf Anhieb versteht. Rosie ist fasziniert von dieser unkonventionellen Frau, merkt aber auch schnell, dass sie sich selten an Verabredungen hält und scheinbar eine ganze Menge Geheimnisse hat. Aber in die alte Zeichnung von einem gewissen R.C., die Star ihr geschenkt hat, war sie sofort verliebt. Ausserdem ist unter ihrer Fensterbank der Satz "Robert Carver ist unschuldig" eingeritzt. Ist er der Zeichner - der geheimnisvolle R.C.? Und was hat es überhaupt mit dieser Botschaft auf sich? Ob der alte Dockie Licht ins Dunkel bringen könnte? Er wurde irgendwann ohne Erinnerungen an den Docks aufgelesen, aber ahnt, dass ihn irgendwas mit Castaway House  verbindet.

* * *

Dieses Buch war ein gelungener Spontankauf. Ich habe es in der Buchhandlung liegen sehen und es sprach mich irgendwie sofort an. Wenn es um düstere Familiengeheimnisse und alte Häuser geht, hat man mich ja sowieso meist sofort am Haken...

Also, der Roman spielt auf zwei Zeitebenen. Er beginnt 1965 mit Rosie, wechselt dann aber kontinuierlich zwischen 1924 (Robert) und 1965 (Rosie) hin und her. Dabei sind die Kapitel immer ausreichend lang um tief genug in die jeweilige Geschichte eintauchen zu können. Und das ist auch gut so, denn es gibt schon eine Handvoll Personen und man muss die Gruppen und Zusammenhänge und eventuellen Überschneidungen erst einmal erfassen. Ist man dann aber drin, fällt einem immer mehr auf und man spekuliert ohne Ende vor sich hin - so erging es mir jedenfalls.

Obwohl die Geschichte unheimlich ruhig beginnt und eigentlich auch das ganze Buch über ruhig bleibt, baut sich doch schleichend ein kontinuierlicher Spannungsbogen auf, so dass ich das Buch irgendwie gar nicht weglegen wollte. Ich muss aber dazu sagen, dass ich viel und relativ schnell lese, dementsprechend habe ich es das erste Mal nach ca. 180 Seiten aus der Hand gelegt - manch einer mag sich vielleicht doch etwas durch die ersten leisen Seiten quälen. Aber ich habe das Kennenlernen, die Beschreibungen und vor allem auch die Umstände und das Lebensgefühl dieser Zeiten genossen.

Stephanie Lam hat nämlich einen großartig erzählenden Schreibstil -unaufgeregt und flüssig- der den Leser tief  eintauchen lässt. Insbesondere bei einem Wechsel aus dem Jahr 1924 hatte ich immer das Gefühl man würde mich von ganz weit weg wiederholen und ich wäre jedes Mal gerne noch länger geblieben. Dieser Teil war einfach atmosphärisch sehr gelungen; sie hat die damalige Gesellschaft perfekt eingefangen.

Und auch wenn Robert noch ein absolutes Greenhorn ist und man tatsächlich nach 200 Seiten eine ungefähre Ahnung bekommt, worauf es hinausläuft, ist das nur ein klitzekleiner Faden im riesigen weiten Meer, denn hier ist nichts so wie es scheint.

Fazit: Mir hat das Debüt von Stephanie Lam richtig gut gefallen. Klar erfindet ihre Geschichte jetzt auch das Rad nicht neu, aber sie ist toll erzählt. Ich habe mir ein altes Haus mit düsterer Familiengeschichte gewünscht und bekommen. Das Buch lag allerdings in der Krimi Ecke, wo es meiner Meinung nach nicht wirklich hingehört.