Rezension

Sich erinnern

Vergiss ihn nicht - Liane Moriarty

Vergiss ihn nicht
von Liane Moriarty

Bewertet mit 5 Sternen

Alice stürzt im Fitnessstudio, schlägt sich den Kopf an und wird bewusstlos. Als sie kurz darauf wieder erwacht, kann sie sich an die letzten 10 Jahre ihres Lebens nicht mehr erinnern. Im Laufe der kommenden Tage findet Alice heraus, dass sich ihr Leben in den letzten Jahren in eine Richtung entwickelt hat, die ihr gar nicht zusagt...

Was Alice nun genau über ihre 3 Kinder, ihre Ehe, ihre Familie und ihre Freundschaften herausgefunden hat, war einerseits recht witzig zu lesen, andererseits (eigentlich zu einem noch viel größeren Teil) aber auch ziemlich traurig und tragisch, sodass ich, wenn ich näher am Wasser gebaut wäre, bestimmt ein paar Tränchen vergossen hätte. Alice ist mir in ihrem 29-jährigen Ich viel sympathischer und liebenswerter erschienen, als mit 39. Die 39-jährige Alice war scheinbar eine kontrollierte, übergesundheitsbewusste, aber gleichzeitig unzufriedene und mit ihren Kindern strenge Furie, die dadurch alles andere als sympathisch gewirkt hat. Die junge Alice kam mir geduldig, liebevoll, freundlich, ja sogar etwas naiv vor. - Ein einfacheres, schöneres Leben hat auf jeden Fall die junge Alice gehabt. Dabei lag es ganz und gar an ihr, also an ihrem Denken und Handeln, was aus ihr geworden ist. Es hätte nicht sein müssen. Und genau das hat Alice nach ihrem Sturz herausgefunden. Sie hat sich vorgenommen, die Dinge wieder "ins Lot" zu bringen.
Ich war ja skeptisch, ob sie das schaffen würde. Aber die Erinnerungen der Gefühle von damals haben sie in ihrem Tun bestätigt, weiterzumachen und nicht aufzugeben, denn die "Sache" mit ihrer Ehe und die Beziehung zu ihren Kindern wollte sie wieder geradebiegen. Als Alice' Gedächtnis ein wenig und dann ganz plötzlich schlagartig wieder komplett zurückgekommen ist und sie sich für ihr Verhalten seitdem Sturz richtiggehend geschämt hat, habe ich schon befürchtet, dass sie einen Rückzieher machen würde. Hier habe ich dann aber eine Überraschung erfahren, für die es sich letzten Endes mehr als nur ein bisschen geloht hat, das Buch zu lesen.

Diese leicht, schnell und flüssig zu lesende Geschichte, die die Themen "Gedächtnisverlust" und "Unfruchtbarkeit" im weitesten Sinne und "Familie", "Freundschaft", "Hoffnung", "Liebe" und "Verlust" im Besonderen behandelt, war wirklich emotional zu lesen und kann ich jedem uneingeschränkt weiterempfehlen.