Rezension

So viel mehr, als man erwartet. Ein unglaublich tolles Jugendbuch, das zeigt, dass die Macht der Worte oft deutlich überschätzt wird...

Still! - Dirk Pope

Still!
von Dirk Pope

Wenn man ein Buch in die Hand nimmt und anfangs eigentlich gar nicht viel dahinter vermutet und dann aber doch eindeutig mehr bekommt, als man erwartet hat, dann ist das – meiner Meinung nach – einer der schönsten Leseerlebnisse überhaupt...
Und genauso verhielt es sich für mich bei Still von Dirk Pope.

Inhaltsangabe:
Mariella redet nicht, nicht mit der Mutter, dem Vater, nicht mit den Goldfischen, den Lehrern oder Mitschülern. Weil ihre Eltern sich getrennt haben. Weil niemand sie verstehen will. Und weil ohnehin zu viel geredet wird. Je lauter es um sie herum wird, desto leiser wird sie. Mariellas Stille eckt an und fordert heraus. Keiner darf einfach so anders sein. Zum Glück ist da Stan, der gehörlos ist und Mariella akzeptiert, so wie sie ist. Gemeinsam mit ihm findet Mariella eine eigene Sprache. Die Begegnung der beiden bestärkt sie darin, bei sich zu bleiben und schließlich ihre Stimme doch wieder zu erheben....

Die Hauptprotagonisten: ~VORSICHT SPOILER~

Mariella:
Mariella ist zwischen 14 – 16 Jahre alt und redet seit der Trennung ihrer Eltern kein einziges Wort mehr. Weder mit ihrer Mutter, noch mit ihrem Vater. Freunde hat sie keine, weil sie alle für seltsam und durchgeknallt halten. Als sie Stan kennenlernt, blüht sie zum ersten Mal etwas auf...

Stan:
Stan ist ein gehörloser Jugendlicher, dem Mariella auf einem Aussichtsturm zum ersten Mal begegnet. Die beiden freunden sich sehr schnell an, weil tan Mariella so akzeptiert wie sie ist. Die beiden finden einen gemeinsamen Weg miteinander zu kommunizieren...

Mariellas Eltern:
Mariellas Mutter kommt schon lange nicht mehr an ihre Tochter dran und ist mit ihrem Schweigen restlos überfordert. Der Vater interessiert sich kaum für die Belange seiner Exfrau, kann mit seiner Tochter im Grunde auch nicht viel anfangen und ist im Allgemeinen auch ein ziemlicher Idiot...

Joao:
Joao ist ein Resturantbesitzer, der ebenfalls gehörlos ist. Mit seinem friedfertiges Wesen und seiner herzliche Art, kommt er bei den Menschen trotz seines Handicaps gut an. Das mag auch daran liegen, dass er seinen Job und das bewirten seiner Gäste mehr als alles andere liebt...

Isabell & Torben:
Isabelle und Torben sind zwei Mitschüler von Mariella, die ganz besonderen Gefallen daran gefunden haben sie zu ärgern, zu trietzen und zu mobben. Dabei scheint es ihnen auch egal, wie weit sie damit gehen...

Frida:
Fida ist die Schwester von Stan und ebenfalls eine Mitschülerin von Mariella. Auch sie ist kein Fan der vielen Worte, wenngleich sie trotzdem spricht, wenn ihr danach ist.

Meine Meinung: ~VORSICHT SPOILER~
Was für ein Buch! Obwohl Still von Dirk Pope nur 188 Seiten umfasst, erzählt die Geschichte von Mariella so intensiv vom Leben einer nicht redenden Teenagerin, wie es ein 400 Seiten dicker Schinken nicht hätte tun können...
Mariella ist stumm. Sie bleibt auch (zumindest die meiste Zeit) auch stumm. Und das nicht etwa, weil sie nicht sprechen kann – oh sie könnte, wenn sie wollte – doch sie will einfach nicht. Hat, ausschlaggebend durch die Trennung ihrer Eltern, dass in der Welt schon genug unnützes Zeug geplappert wird, dass Worte ihr in gesprochener Form zwar nicht egal sind, dass sie ihr aber einfach nichts geben. Sollen sich doch andere den Mund fusselig labern, während sie nur nickend oder kopfschüttelnd daneben sitzt und sich ihren Teil dazu denken kann...
Da wären wir auch schon beim zündenden Thema. Gedanken. Denn auch, wenn Mariella nicht spricht, dessen Umstand mich fast wahnsinnig gemacht hat, weil ich die ganze Zeit nach einem WARUM gesucht habe, so denkt sie umso mehr. Und das auf so großartige und fantastische Weise, dass ich immer kaum fassen konnte, dass diese unlogischen, logischen Sätze, Methaphern und Überlegungen eigentlich aus dem Kopf eines einzigen Autors kommen. Aber es ist so! Und vor soviel Kreativität ziehe ich echt meinen imaginären Hut...
Mariella muss in ihrem Umfeld mit viel Inakzeptanz klar kommen: Die Mutter und Lehrer total überfordert. Der Vater nicht im Mindesten interessiert und die Schüler mobben sie größtenteils in Grund und Boden. In dieser Hinsicht zeigt der Roman gut auf, welche Lücken und Fehler es hinsichtlich des Thema Mobbings (leider) immer noch gibt. Lehrkräfte, die so etwas nicht ernst nehmen und lieber einfach wegschauen...
Dann kommt Stan ins Spiel, der tatsächlich nicht redet, weil er es nicht kann. Er ist stumm. Zwischen diesen beiden (fast noch) Kindern, baut sich so eine faszinierende, wie auch innige Freundschaft auf, dass ich in manchen Momenten fast schon immer geglaubt habe, dass das doch nicht lange gut gehen kann. Aber es kann. Die beiden entwickeln ein tolles, wenn auch banales System miteinander zu kommunizieren und genau das macht ihr Zusammenspiel so sehr einzigartig...
Dirk Popes Schreibstil ist so überwältigend und positiv aus dem Rahmen fallend, wie bei keinem anderem. Segnete man ihn mit soviel Talent? Wurde es ihm in die Wiege gelegt? Ich glaube schon! Auf jeden Fall wird es mich dazu bewegen in Zukunft noch sicher noch einige Werke des Autors in die Hand zu nehmen...
Ein Jugendbuch, dass seine Einzigartigkeit hinter einem hübschen Cover zu verstecken weiß und sich dabei heimlich, still und leise in das Herz des Lesers schleicht...

Mein abschließendes Fazit:
So viel mehr, als man erwartet. Ein unglaublich tolles Jugendbuch, das zeigt, dass die Macht der Worte oft deutlich überschätzt wird...