Rezension

Solide Krimiunterhaltung mit ausgefallenen Charakteren macht finnische Lektüre gut lesbar!

Gefallene Engel - Seppo Jokinen

Gefallene Engel
von Seppo Jokinen

Bewertet mit 5 Sternen

Finnland: An einem eiskalten Herbsttag in Tampere wird die Leiche eines jungen querschnittsgelähmten Mannes entdeckt, der Rollstuhl ist jedoch nirgends zu finden. Der Tote ist ein Bewohner der Wolfsstube, eines Heimes für Behinderte. Er gehört zu den motorradbegeisterten "Engeln von Hukka". Als dann weitere Patienten des Heims sterben, muss Koskinen in viele Richtungen ermitteln, stets in der Sorge wer das nächste Opfer sein könnte. Die Angst geht um in der Wolfsstube.

Der Kriminalroman, ausgezeichnet mit dem finnischen Krimipreis 2002, nimmt den Leser mit in die Welt Finnlands. Hier thematisiert der Autor die Schicksale von Behinderten und zeigt uns ihre Ängste, Nöte und Sorgen. Die Hilflosigkeit vor kriminellen Angriffen wird in diesem Roman sehr deutlich gemacht und der Leser wird ein betroffener Zeuge dieser Situation. Doch gleichzeitig stellt der Autor auch die hoffnungsvolle Zuversicht dar, die die Menschen auch nach schwierigen Tagen wieder positiv nach vorne schauen lässt.  

Finnische Krimis sind für mich Neuland und so musste ich mich erst mal an die fremd klingenden Namen und Orts- und Straßenbeschreibungen gewöhnen. Das gelingt aber relativ schnell und man kann der Handlung gut folgen. Der Fall ist gut durchdacht und man hat als Leser mehrere Verdächtige zur Auswahl. Wer ist so kaltherzig und ermordet hilfsbedürftige Menschen? Oder ist hier ein Sterbehelfer, ein selbsternannter Engel am Werk, der das Leiden von Patienten nicht mit ansehen kann?
In diesem Roman gestaltet sich die Polizeiarbeit als sehr authentisch, es geschehen sogar alltägliche Ermittlungsfehler. Das verleiht Authenzität, die einan guten Krimi ausmacht.

Die Charaktere sind sehr vielschichtig und haben alle Ecken und Kanten. Kommissar Sakari Koskinen ist sympathisch, manchmal recht ungehalten, geschieden  und braucht zum Ausgleich zu seiner Arbeit den Endorphin-Kick seines Lauf- und Fahrradsports. Doch das bringt ihm nicht nur Bewunderung, sondern auch Hohn und Spott ein. Ein Kommissar ohne Auto ist doch gar nicht zeitgemäß. Er hat so seine liebe Not mit seinen Mitarbeitern, besonders Aushilfskraft Milla macht ihm mit ihrem Ordnungssinn zu schaffen. Das gibt dem Krimi eine persönliche Note und unterhält ungemein. Gleichzeitig wird Koskinen von mehreren Seiten Opfer diverser Verkupplungsversuche, die man als Leser amüsiert beobachtet. Dabei hat mir gut gefallen, dass diese Frauengeschichten nicht, wie sonst oft üblich, als sexuelle Erlebnisse erzählt werden. Koskinen ist auf der Suche nach einer Frau, zu mehr hat er keine Zeit. Das hat die Geschichte aufgelockert und den Fokus ein wenig vom Fall genommen.

Der große Marathonlauf wird eindringlich geschildert und die Endorphine Koskinens springen auf den Leser über. Es ist eine der spannendsten Stellen im Buch. Doch auch der Showdown sorgt mit einer gelungenen Aufklärung der Morde für fesselnde Unterhaltung und hat mich vollständig zufrieden den Fall beschließen lassen. Hoffentlich gibt es bald wieder neue Übersetzungen von Koskinens Ermittlungen, ich könnte mich gut daran gewöhnen. Er ist auf dem besten Weg dazu, von mir regelmäßig gelesen zu werden. 

Dieser unterhaltsame Krimi überzeugt mit einer ruhigen Grundspannung und menschlichen Schicksalen, die einfach berühren. Jokinen schreibt über alltägliche Themen, die nicht nur in Finnland interessieren. Daher hoffe ich auf weitere übersetzte Fälle dieser Krimireihe.